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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


als nicht-Pensionist über das Pensionssystem zu schreiben, ist eigentlich immer ein Fehler, zumindest erklärt einem das eine stets bereite Legion an Pensionistinnen und Pensionisten, sobald ein solches Wort das Licht des Tages erblickt. Und so habe ich mir am Wochenende einige freundliche Kritiken eingefangen, nachdem ich Hubert Patterers Leitartikel zum Thema in den Sozialen Medien geteilt hatte: „Arbeiten Sie mal richtig und reden wir in 30 Jahren weiter. Ich rede von wirklicher ARBEIT“, „Am besten die Alten überhaupt gleich notschlachten, haben ja ausgedient, oder?“ oder gleich „Ihre Sicht ist degoutant.“ 
Fein. Also, versuchen wir das auszudifferenzieren. Vergangene Woche hat die türkis-grüne Bundesregierung erklärt, die Pensionen und die Ausgleichszulage (vulgo „Mindestpension“) durch die Bank um 9,7 Prozent anzuheben. Ausgenommen sind nur sehr hohe Pensionen – über 5.850 Euro pro Monat gibt es eine einheitliche Erhöhung um 568 Euro.

Schöne Idee, bisher per Gesetz ausgehebelt
Das besondere an diesem Schritt ist, dass das fast genauso gemacht wird, wie das gesetzlich vorgeschrieben ist. Seit der großen (schwarz-blauen) Pensionsreform 2004 sieht das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ASVG in §108ff vor, dass die Pensionen jährlich um den Verbraucherpreisindex des Vorjahres zu erhöhen sind.
Eine schöne Idee, die von jeder einzelnen Koalition seither Jahr für Jahr per Gesetz ausgehebelt wurde – um die meisten Pensionen deutlich über der Inflation zu erhöhen. Bis heuer Türkis-Grün – in den vorhergehenden Jahren noch recht freigiebig – sich erstmals auf die vorgeschriebene Anpassung beschränkt und bei hohen Pensionen sogar noch etwas abzwackt.
 
 
 
 
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Das ist angesichts der Lage der Staatsfinanzen zu begrüßen. Schon diese planmäßige Erhöhung wird – bei mauer Wirtschaftslage – mehr als fünf Milliarden Euro kosten, die die Republik nächstes Jahr mehr ins Pensionssystem zuschießt. Und das lässt das große, dahinterliegende Problem erahnen, das sich die kommenden Jahre noch verschärfen wird: Schon jetzt schießt der Steuerzahler fast 14 Milliarden Euro in die Pensionsversicherungen zu, weil die Beiträge der Versicherten die Kosten der Pensionen – rund 50 Milliarden Euro – nicht abdecken.

Milliarden-Zuschüsse, die anderswo gebraucht werden
Dass es so einen Zuschuss aus dem Steueraufkommen gibt, war von Beginn des Pensionssystems an geplant – aber in den kommenden Jahren steigt der Zuschuss beträchtlich, auch gemessen an der Wirtschaftsleistung. Machte die zugeschossene Summe 2021 noch 2,92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, hat die Alterssicherungskommission des Sozialministeriums im vergangenen Herbst einen Anstieg auf 3,76 Prozent bis 2027 prognostiziert – und das bei besseren Konjunkturprognosen als heute und noch bevor die Inflation voll zugeschlagen hat. 

Jetzt kann die Lösung natürlich nicht sein, alle 65-Jährigen sofort auf die Eisscholle zu setzen oder sie durch Entwertung ihrer Pensionen zu berauben. Abgesehen davon, dass das politisch suizidal wäre, wäre es ungerecht und mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur schwer in Einklang zu bringen.

Trotzdem täte es Not, dass die Politik der Realität ins Auge sieht: Dass das Pensionssystem aus einer Zeit, in der man nach der Pensionierung im Schnitt nur noch zehn Jahre zu leben hatte, anders funktionieren sollte als eines, in dem man noch 20 Jahre hat, zum Beispiel. Oder dass die Milliarden, die diese steigenden Zuschüsse kosten, dringend anderswo im Staatshaushalt gebraucht werden.

Was passieren müsste – und was der Koalition noch zuzutrauen ist
Varianten, wie man darauf re(a)gieren könnte, gäbe es viele. Ein seit Jahrzehnten genannter Vorschlag von Expertinnen und Experten für eine nachhaltige Finanzierung wäre etwa, das gesetzliche Pensionsantrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung zu koppeln – und Seniorinnen und Senioren damit je nach Jahrgang ein paar Monate länger arbeiten zu lassen. Dagegen spricht – mit einer vernünftigen Sonderregel für jene echten Schwerarbeiterinnen und Schwerarbeiter, die wirklich nicht länger können – wenig.
Aber das wäre ein großer Schritt, der der gegenwärtigen Koalition wohl nicht mehr zuzutrauen ist. Sie sollte ihr verbleibendes Jahr nutzen, zumindest drei kleinere Schritte anzugehen.

Erstens – und es ist eigentlich heftig, dass man das sagen muss, so simpel ist das - ist der Vorsitz der Alterssicherungskommission nach dem frustrierten Abgang von Walter Pöltner seit zwei Jahren unbesetzt. 2024 muss die Kommission wieder – spätestens am 30. November, also wohl mitten in der Regierungsbildung nach der nächsten Nationalratswahl – ein Gutachten über die langfristige Perspektive des Pensionssystems vorlegen. Gerade zu diesem entscheidenden Zeitpunkt wäre es sinnvoll, an dieser Stelle einen echten Fachmann beziehungsweise eine echte Fachfrau sitzen zu haben, der oder die mit der nächsten Regierung Tacheles redet.
Zweitens ist der erklärte Plan der Regierung, zumindest das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, nicht besonders ambitioniert, aber vernünftig. Gerade jetzt, wo an allen Ecken und Enden Fachkräfte fehlen, wäre es wichtig, hier Anreize zu setzen. Arbeits- und Sozialminister sollten überlegen, wie sie das freiwillige Länger-Arbeiten attraktiver machen können.

Und zuletzt sollte die Regierung durchaus offensiv verkaufen, dass sie im Sinne der Nachhaltigkeit die Pensionen genau so angehoben hat, wie das eigentlich vorgesehen war – entlang der Inflation, nicht darüber. Denn dieses Beispiel darf durchaus Schule machen.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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