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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Es ist eine spannende innenpolitische Woche. Finanzausgleich und Gesundheitsreform kommen ins Parlament, Thomas Schmid gleich zweimal ins Gericht, der Fiskalrat präsentiert seinen mittelfristigen Ausblick auf die Staatsfinanzen. Davon, dass das Land a. kollektiv im Krankenstand und b. in Vorweihnachtsstress/-besinnlichkeit ist, merkt man momentan wenig.

Trotzdem würde ich Ihren Blick gerne kurz über die Grenzen unserer schönen Republik hinaus lenken, nach Brüssel. Dort treffen am Donnerstag und Freitag Karl Nehammer und die 26 anderen Regierungs- bzw. Staatschefs zusammen – und auch, wenn oft übertrieben gesagt wird, irgendwas habe „historische“ Dimension (wie der vergangene Woche zusammengezurrte KI-Regulierungs-Kompromiss), dieser Gipfel hat das Potenzial, Geschichte zu schreiben. Im positiven oder im negativen Sinne, wohlgemerkt.

Gipfel an einem Kipppunkt
Denn es geht um weit mehr als „nur“ um das Budget der Union für die nächsten Jahre. Es geht erstens darum, ob wir als EU der Ukraine in den nächsten vier Jahren – wie angekündigt – fünfzig Milliarden Euro an Finanzierung zur Verfügung stellen werden. Und, zweitens, ob wir mit der Ukraine – wie angekündigt – Beitrittsverhandlungen aufnehmen werden.
 
 
 
 
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Der Gipfel findet an einem Kipppunkt statt: Die Ukraine ist im Abwehrkrieg gegen Russland nach einer gescheiterten Sommeroffensive militärisch in einer schlechten Lage, ihre Führung ist offenbar uneins; Russland hat Wirtschaft und Alltag komplett auf Kriegsmodus umgestellt und kann den Druck wahrscheinlich über Jahre aufrechterhalten. Und Amerika, gemeinsam mit der Union der wichtigste Unterstützer der Ukraine, wird ein angekündigtes Hilfspaket wohl dieses Jahr nicht mehr durch den Kongress bringen – und nach der Präsidentenwahl nächstes Jahr kann es mit der US-Unterstützung vielleicht überhaupt vorbei sein.

Das ist der Hintergrund, vor dem Nehammer und die anderen Regierungschefs – einstimmig – entscheiden müssen, ob die Union ihre Versprechen, hinter der Ukraine zu stehen, einhalten wird oder nicht: Finanzhilfe und Beitrittsperspektive. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat angekündigt, beides nicht akzeptieren zu wollen. Bleibt er dabei, liegt der Beitritt vorerst auf Eis – möglicherweise wird der Rat die Entscheidung pro forma ins nächste Jahr verschieben. Die Finanzhilfen müssten dann die Mitgliedstaaten auf einer bilateralen Basis übernehmen – was den Effekt hat, dass sie plötzlich auf nationaler Budgetebene diskutiert werden müssten und von der Europa- in die Innenpolitik wandern.


Siegt Völker- oder Faustrecht?
Was sollte Österreich in dieser Lage tun? Die grundsätzlichen Prämissen haben sich nicht geändert: Russland führt einen illegalen Krieg gegen ein Land nur wenige hundert Kilometer von unserer Grenze entfernt. Gewinnt es ihn, indem es einen signifikanten Teil der Ukraine abtrennt oder die Unabhängigkeit ins Vasallentum zwingt, ist das nicht nur ein Verbrechen und eine millionenfache menschliche Tragödie, sondern auch eine politische Katastrophe: Das Recht des Stärkeren würde mitten in Europa obsiegen. 


Selbst abseits aller moralischen Überlegungen: Das kleine, pro forma neutrale Österreich kann kein Interesse daran haben, dass größere Staaten kleinere abseits jeder Rechts- und politischen Ordnung vergewaltigen. Die türkis-grüne Regierung hat bisher tendenziell das Richtige getan, sich politisch sowie mit Finanz- und Sachhilfen hinter die Ukraine zu stellen. Dafür gebührt ihr Anerkennung, denn schon das ist im Volk nicht vorbehaltlos beliebt: Nur jeder Fünfte hat sich in einer Umfrage des Bundesheers vor Kurzem dafür ausgesprochen, in militärischen Konflikten klar Stellung zu nehmen. (Eine – pragmatisch sinnvolle – Diskussion über Neutralität und Nato-Beitritt hätte übrigens Mehrheiten zwischen zwei Drittel und drei Viertel im Land gegen sich.)


Karl, der Kurs stimmt
Diesen Kurs sollten Nehammer und die Regierungsparteien konsequent weiterverfolgen: Erstens, indem sie die Milliardenhilfen für die Ukraine unterstützen – mit diplomatischem Druck auf Orbán oder, falls nötig, in der Koordination bilateraler Geldflüsse Richtung Kiew: Österreich sollte hier vorne mit dabei sein.


Das gilt, zweitens, auch für die Beitrittsperspektive. Die kann und soll nicht bedingungslos sein – dass die Ukraine einen weiten Weg mit vielen Reformen vor sich hätte, wird niemand bezweifeln. Insgesamt zeichnet eine jüngst erschienene Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung aber ein optimistisches Bild: Institutionell stünde die Ukraine heute dort, wo Rumänien und Bulgarien waren, als sie in den 1990ern um die Mitgliedschaft angesucht haben. In einem normalen Prozess würde es rund zehn Jahre dauern, bis der Staat beitrittsreif wäre. Aber wenn man Hilfs- und Wiederaufbauprogramme klug aufsetzt – etwa mit Expertise der EU-Staaten bei der Rekonstruktion der Infrastruktur –, könnte das schneller gehen. 


Das ist eine Perspektive, die Österreich am Donnerstag und Freitag aktiv unterstützen und propagieren sollte – schon aus Rücksicht auf die ebenfalls wartenden Balkanstaaten sollte es kein „Fast track“-Verfahren mit niedrigeren Hürden geben; aber eine realistische Perspektive, die die geplanten Hilfen inkludiert. Eine schnelle Einigung noch diese Woche wäre dabei auch im Interesse der Regierungsparteien: Historische Themen dieser Größenordnung eignen sich nur sehr bedingt für das bevorstehende Wahljahr.


Herzlich,
Ihr Georg Renner

 
 
 
 
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