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Liebe Leserinnen, liebe Leser,


gehen wir dorthin, wo es weh tut – und reden wir über die Schule. Seit ein paar Tagen habe ich eine Viertklässlerin im Haus. Wer schon einmal ein Kind durch DAS SYSTEM™ begleiten hat dürfen, weiß, was das heißt: Monatelange, nagende Sorge, ob man die richtige Entscheidung treffen a. kann und b. wird, was den weiteren Verlauf seines Bildungsweges angeht. Ich gestehe, ich beneide alle Eltern von Neunjährigen, die schon ganz genau wissen, welchen beruflichen Weg ihr Kind eines Tages einschlagen wird und auf welche schulischen Gleise sie es dazu jetzt am besten setzen; ich weiß es jedenfalls nicht, und die Datenlage ist mager.

Symptomatisch dafür darf die Situation an den höheren Schulen herhalten: Seit fast zehn Jahren schließen die mittlerweile je nach Typ mit einheitlichen, vergleichbaren Prüfungen, der Zentralmatura, ab. Die Ergebnisse, die Aufschluss darüber geben würden, wo der Unterricht besonders erfolgreich ist und wo Schwächen bestehen, hält die Republik aber geheim. Das verhindert nicht nur, dass Schulen voneinander lernen und sich verbessern können, sondern ist einer der vielen strukturellen Faktoren, die höher gebildete Familien bevorzugen: Wer schon mit Netzwerken in Eltern- oder Lehrerschaft kommt und so Schulen mit Informationsvorsprung vergleichen kann, kann leichter eine „bessere“ Schule für sein Kind auswählen – und ihm so einen Startvorteil verschaffen.

Ein Detail, das pars pro toto für zwei Facetten des Problems steht: Erstens hängt Bildung beziehungsweise Bildungserfolg in Österreich noch immer stark von Engagement und Möglichkeiten der Eltern ab – und folglich, zweitens, hängt es Kinder ab, deren Familien diese Möglichkeiten nicht haben.
 
 
 
 
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Diese unterschiedliche Unterstützung von zu Hause ist der Elefant im Raum bei jeder rot-weiß-roten Bildungsdiskussion. In keinem anderen westeuropäischen Land ist etwa der Zusammenhang der Lesekompetenz von Volksschulabsolventen mit dem höchsten Abschluss der Eltern so deutlich wie in Österreich. Mit anderen Worten: Kinder erben noch immer die Bildung von zu Hause, das System gleicht Defizite (wie besonders eine andere Muttersprache) nicht ausreichend aus.

Das hat einen doppelten gesellschaftlichen Preis: Zum einen verschwenden wir das Potenzial jener Kinder, die wir so zurücklassen – und das uns dann in Zukunft fehlt, wenn wir zu wenig qualifizierte Ärztinnen, Pfleger, Lehrerinnen oder Techniker finden. Zum anderen „kostet“ diese Vererbung jetzt Ressourcen: Dass sich zu Hause jemand – üblicherweise die Mütter – darum kümmert, mit den Kindern lesen, rechnen oder lernen zu lernen, reißt Lücken in der Wirtschaft, im Wohlstand, in der Pensionsversicherung und nicht zuletzt auch in der Selbstverwirklichung.

Das Frustrierende an dieser Situation ist gar nicht so sehr nur, dass es so ist – sondern dass es seit Jahrzehnten so ist und dass die bildungspolitischen Ambitionen in der Republik, daran etwas zu ändern, recht überschaubar sind. (Was auch, noch so ein wiederkehrendes Motiv, mit der heillos zersplitterten politischen Zuständigkeit im Schulwesen zusammenhängt.)

Der Lichtblick, wenn man so will: Inzwischen ist der Leidensdruck auf allen Seiten (Kinder, Eltern, Lehrerschaft, Wirtschaft) so hoch, dass substanzielle Reformen wahrscheinlicher werden. 

Rezepte gegen diese Stagnation für alle politischen Richtungen gäbe es auch: Erstens wird man auf die eine oder andere Art noch einmal das Problem mangelnder Deutschkenntnisse angehen müssen, die nicht nur einzelne Schüler, sondern ganze Schulstandorte lähmen. Eine Möglichkeit wäre hier ein – teurer – „Brennpunkt-Index“, der belasteten Schulen mehr Ressourcen für Unterstützungslehrer zuweist. Eine andere – europa- und menschenrechtlich fragwürdige – wäre eine bessere Verteilung fremdsprachlicher Schüler, etwa nach dänischem Vorbild. 

Nur langfristig zu lösen ist das Problem, wie man die elterliche Aufgabenbetreuung überflüssig macht: Dazu muss man Eltern flächendeckend vermitteln, dass die Kinder in der Schule besser aufgehoben und ausgebildet werden als zu Hause – also kurz, dass Österreich eins der besten Bildungssysteme der Welt haben wird. Und das glaubt gerade jetzt, wo der Staat zum Schulstart nicht einmal weiß, ob er genug Lehrer hat, eher niemand.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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