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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
die ÖVP hat in den vergangenen Tagen wieder einmal Angst vor dem eigenen Mut bekommen. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler hatte sich bei einer Veranstaltung der Industriellenvereinigung halbwegs positiv zu deren Vorschlag geäußert, die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 auf 41 Stunden zu erhöhen: „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir eher mehr als weniger arbeiten“, so Edtstadler.
Das ist ziemlich genau jener diffuse Stehsatz, den die ÖVP seit Jahr und Tag der SPÖ-Idee entgegensetzt, die Arbeitszeit in Richtung 32 Stunden zu verkürzen. Im Kontext der Frage nach den 41 Stunden und des heraufdräuenden Wahlkampfs hätte der Ministerin aber klar sein müssen, dass das nicht so rezipiert werden würde, sondern als der aufgelegte Elfer, der es dann für jeden eben auch war, der sich mehr als einen Millimeter links der Mitte verortet (was in Österreich ziemlich viele sind). Die Volkspartei vom Kanzler abwärts hat den Rest der Woche dann damit verbracht, jegliches Interesse an einer gesetzlichen Arbeitszeitverlängerung abzustreiten: „Das kommt fix nicht in Frage.“
Bevölkerungspyramidenspiel
Soll sein. Es wäre aber schade, wenn derlei Theater der Debatte, wer hierzulande wie lange arbeiten soll, komplett den Garaus machen würde. Denn – pardon, schon wieder Demographie – wie es sich ausgehen soll, dass weniger Leute im Erwerbsalter mehr Pensionisten erhalten und dabei auch noch in stärkerem Ausmaß Teilzeit arbeiten, scheint mir in den nächsten 20 Jahren eine recht essenzielle Frage für unseren Sozialstaat zu sein.
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Die Zahlen schauen per Erwerbspersonenprognose der Statistik Austria aus heutiger Sicht so aus: Derzeit haben wir etwa 5,5 Millionen 20- bis 65-Jährige im Land, dem gegenüber stehen 1,9 Millionen über-65-Jährige; grob gesagt ein Verhältnis von 2,9 Menschen im Erwerbsalter auf jeden Senior. Im Hauptszenario der Prognose für 2050 (Migration ist da schon eingerechnet) wird diese Zahl mit der Bevölkerungspyramide wandern: auf 5,3 Millionen 20- bis 65-Jährige kommen dann 2,7 Millionen Ältere, ein Verhältnis knapp unter 2:1.
Dazu kommt, dass die Teilzeitquote vor allem unter Frauen und jüngeren Arbeitnehmern seit Jahren deutlich steigt – und an Pensionsalter, -höhe und sonstigen Sozialleistungen will sowieso niemand rütteln.
Wenn man das alles zusammenzählt, muss man (bar plötzlicher Produktivitätssteigerungen, die man erst verteilen sollte, wenn sie da sind) Karoline Edtstadler recht geben: Wir werden eher mehr als weniger arbeiten müssen.
Arbeit billiger machen
Was aber auch stimmt: Die gesetzliche Normalarbeitszeit ist der falsche Ort für diese Auseinandersetzung. Ginge es nach dem Willen der IV, würde das genau jene am härtesten Treffen, die es ohnehin so machen, wie es sich Arbeitgeber und Fiskus wünschen, nämlich Vollzeit arbeiten. Genau wie die Frage nach einer Arbeitszeitverkürzung (die manche Branchen wie die Pflege schon dazu brauchen werden, um den Job attraktiv genug zu halten) ist das bei den Sozialpartnern in KV-Verhandlungen am besten aufgehoben – dort kann man auch eventuelle Produktivitätsgewinne granular verteilen und darauf eingehen, wo weniger Stunden nicht automatisch weniger Output bedeuten.
Die Bundespolitik steht vor einer anderen Herausforderung: Sie sollte alles daransetzen, es einfacher und attraktiver zu machen, Vollzeit zu arbeiten. Das beginnt beim weiteren Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten (auch wenn die nur für einen kleinen Teil der Teilzeiten ursächlich sind), aber der große Brocken wäre eine Entlastung des Faktors Arbeit.
ÖVP und Neos sind hier mit ihren Programmen auf dem richtigen Weg: Die Lohnnebenkosten wie das Körberlgeld „Wohnbauförderungsbeitrag“, das komplett in die Länderbudgets geht, gehören abgeschafft. Wenn damit von jeder Arbeitsstunde netto mehr bei den Arbeitnehmern landet, wird das sowohl dem Teilzeittrend entgegenwirken als es auch attraktiver machen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und zwar weit effektiver, als einfach eine Stunde mehr ins Arbeitszeitgesetz zu schreiben.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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