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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


wir stecken mitten in einer Migrationsdiskussion, die eigentlich eine Integrationsdiskussion sein sollte. Die Bundeshauptstadt Wien, und besonders ihr Bildungssystem, ist überfordert mit dem Zuzug tausender Asylwerberinnen und Asylwerber. Das ist das Bild, das sich angesichts Berichten aus der Lehrerschaft (etwa im „Profil“ oder im „Standard“) immer mehr verdichtet. Besonders die Nachholung der jungen Familien von in den vergangenen Jahren eingewanderten Syrern führt dazu, dass das Schulsystem an allen Ecken und Enden kracht, sichtbarstes Zeichen sind etliche neue Containerklassen. Es geht um mehrere hundert Kinder, die da im Monat dazukommen, mit vielen davon ist schon allein der Sprachbarriere wegen kein normaler Unterricht möglich.

Die Debatte darüber verläuft zu großteils wenig konstruktiv. Die einen sagen, Wien mit seiner proklamierten „Willkommenskultur“ und seiner noch immer vergleichsweise großzügigen Sozialhilfe sei ja selber schuld, dass so viele Migranten kämen, jetzt soll es die Suppe auch Auslöffeln. Die anderen sagen, Wien nimmt weit mehr Asylwerber auf, als es müsste – und damit seien die anderen Länder, die ihre Quoten seit Jahren untererfüllen, für die Überlastung der Hauptstadt verantwortlich. Und wieder andere sagen, der Familienzuzug werde Österreich so oder so überlasten, er gehört als ganzes eingeschränkt.
 
 
 
 
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Man kann über das alles reden, aber mir ist das ein bisschen zu fatalistisch. Wir stehen vor einem großen demographischen Problem (wir hatten gerade erst eine DATUM-Schwerpunktausgabe dazu), da sollten wir insgesamt schätzen, wenn Kinder nach Österreich kommen. 

Noch ist das Problem bewältigbar
Für die Integrations- und Bildungspolitik ist das trotzdem ein kritischer Moment. Wenn wir die Schulen überfordern hat das Potenzial zum Teufelskreis: Wenn Lehrer keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit sehen, werden sie sich eine andere suchen, dann wird es noch schwieriger, Personal zu finden, um das geradezurichten. 

Von seinem Ausmaß her ist das Thema bewältigbar: 6.000 Kinder im schulpflichtigen Alter mehr in einem Jahr, das ist punktuell schwierig – aber bei rund 600.000 Pflichtschülern im Land insgesamt (119.000 davon in Wien) für sich genommen keine überwältigende Masse. 

Wenn Bund, Länder und Gemeinden in den nächsten Wochen konstruktiv zusammenarbeiten, sollte sich da eine pragmatische Lösung finden lassen, vielleicht sogar eine Win-Win-Situation. Wenn die handelnden Akteure das lieber als Wahlkampfmunition hernehmen und einander die Schuld für die Lage zuschieben, werden wir tausende Kinder und später Arbeitskräfte verlieren, mit allen unangenehmen Folgen.

Was also tun?
Als ersten Schritt muss man im Bildungssystem selbst ansetzen – etwa mit zusätzlichen Mitteln für Hilfskräfte, die Lehrer an jenen Standorten unterstützen (voll ausgebildete Pädagogen sind schon jetzt Mangelware, bis zusätzliche ausgebildet sind, vergehen mehrere Jahre), die besonders viele Kinder aufgenommen haben. Darüber hinaus sollte Wien die Möglichkeit in Betracht ziehen, Kinder wieder Schulen zuzuweisen, um einzelne Standorte zu entlasten. 

Mittelfristig wird an der Residenzpflicht-Debatte – also Asylberechtigte mit sanftem Druck einem bestimmten Bundesland zuzuweisen – kein Weg vorbeiführen. Das Dilemma ist einfach umrissen: Migranten siedeln sich auf der einen Seite vorrangig dort an, wo sie schon Kontakte, Netzwerke haben, wo sie Anschluss finden – das ist in der Großstadt naturgemäß einfacher als in einer kleinen Gemeinde irgendwo in Österreich, wo sie vielleicht die einzigen mit ihrer Nationalität sind. 

Andererseits kann man argumentieren, die Integration ist außerhalb Wiens einfacher: Parallelgesellschaften entstehen erst durch Masse, außerdem ist überall außerhalb von Wien der Arbeitskräftebedarf größer – in Wien kommen auf eine offene Stelle fast sechs Arbeitslose; in Salzburg und Oberösterreich weniger als einer. 

Der Vorschlag von AMS-Chef Johannes Kopf, die Sozialhilfe nur in einem bestimmten Bundesland zu gewähren, wäre – gepaart mit Integrationsprogrammen in Ländern und Gemeinden - ein vernünftiges Instrument. Auch wenn sich die Bundesländer nicht darum reißen: Es sollte schon in ihrem eigenen Interesse liegen, künftige Arbeitskräfte zu bekommen, zu integrieren und auszubilden.

All das wäre mit gutem Willen noch vor dem Sommer umsetzbar – und dann können wir, drittens, im Wahlkampf über langfristige Migrations- und Bildungspolitik reden.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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