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Liebe Leserinnen, liebe Leser!

The Prime Minister sank, weak-kneed, into the nearest chair. The idea of invisible creatures swooping through towns and countryside, spreading despair and hopelessness in his voters, made him feel quite faint.

„Harry Potter and the Half-Blood Prince“, absolut objektiv das zweitbeste Buch der Serie, beginnt mit dieser Szene: Ein Repräsentant der Zaubererwelt kommt zerknirscht zum (normalen) Regierungschef von Großbritannien und erzählt ihm, dass neben einer Reihe anderer magischer Katastrophen die Dementoren im Land los sind; Ungeheuer, die alles Schöne aus der Welt saugen und eine bleierne, undurchdringliche Verunsicherung unters Volk bringen. Der Premier ist darüber einigermaßen entsetzt: Eine tief verunsicherte und von Katastrophen geplagte Wählerschaft, das hat er wie jeder Politiker verinnerlicht, ist der Albtraum einer Regierung.

Expecto Zuversichtswerber
Womit wir bei Karl Nehammer wären. Der ÖVP-Chef und Bundeskanzler versucht dieser Tage, den Österreicherinnen und Österreichern unter dem Motto „Glaubt an dieses Österreich“ Mut und gute Laune einzuflößen. Das Ganze ist nach dem aktuellen ÖVP-Kommunikationsschema F kommuniziert worden: nebulöser Social-Teaser Ende vergangener Woche; Hintergrund und Details exklusiv in den Wochenendzeitungen; heute schließlich die öffentliche Ankündigung. Kurzfassung: „Normale Menschen“ sollen als „Zuversichtswerber“, eine Art Anti-Dementoren offenbar, durch das Land schweben, die Errungenschaften Österreichs (und seiner Regierung) preisen und allgemein Sonnenschein verbreiten.
 
 
 
 
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Ich will das gar nicht schlechtreden, es gibt wahrscheinlich dümmere und unangenehmere Arten, in ein Wahljahr zu starten. Und Nehammer hat ja im Grunde Recht: Die Stimmung im Land ist durch Covid-Entbehrungen, Russlands Krieg und Inflationsdruck schlecht, schlechter als es die nackten Wirtschaftszahlen hergeben. Geprügelt wird dafür – nach demselben Muster wie in weiten Teilen Europas – die Bundesregierung, die für die meisten dieser Krisen wenig kann, es profitiert die rechte Protestpartei.

Ich fürchte nur, es wird ein wenig mehr brauchen als die türkisen Sonnenschein-Botschafter, um das noch zu drehen oder zumindest den Schaden zu begrenzen. Drei Anregungen für eine staatstragende Regierungspartei:

Erstens: Es muss ja nicht gleich wieder die absolute Message Control sein, aber eine etwas stringentere Kommunikation würde schon helfen. Wenn der Parteichef zeigen will, wie gut die Regierung gearbeitet hat und die mächtigste Politikerin seiner Partei fast gleichzeitig ausrückt und sagt, wie viel (wenig) sie von einer der zentralen Reformen selbiger Regierung hält, macht das keinen schlanken Fuß. Schon klar, die ÖVP hat es ihres inneren Pluralismus‘ wegen historisch schwer, klar zu sagen, wofür sie steht – aber ein Jahr vor einer wichtigen Wahl sollte sie schon klar artikulieren können, ob sie zu den Reformen der vergangenen vier Jahre steht oder sie bei nächster Gelegenheit rückabzuwickeln gedenkt.

Less conversation, more action
Zweitens: Fokus auf die Wirtschaft. Momentan läuft es ja noch halbwegs gut, aber am Horizont baut sich ein massiver Sturm auf. Durch die im Kampf gegen die Inflation steigenden Zinsen legt beispielsweise die Bauwirtschaft gerade eine Vollbremsung hin (mehr dazu lesen Sie übrigens im nächsten DATUM, und wenn Sie der Wirtschaft helfen wollen, abonnieren Sie gleich). Die Koalition hat sich bisher darum bemüht, den ärgsten Einbruch über den Erhalt der Kaufkraft abzufangen, was die vergangenen Jahre ganz gut funktioniert hat; mit den anstehenden Lohnverhandlungen muss sie sich jetzt wahrscheinlich neue Hilfen einfallen lassen – zum Beispiel über zumindest zeitweise gesenkte Lohnnebenkosten oder gar strukturelle Reformen, die es Unternehmerinnen und Unternehmern leichter machen, durch den Sturm zu kommen.

Und zuletzt braucht es etwas, das sich die ÖVP nur allzu gern auf die Fahnen schriebe: solide Regierungsarbeit. Das heißt zuallererst nicht, das gemeinsame Reformprogramm abzuarbeiten, sondern zunächst einmal, das Pflichtprogramm zu erfüllen: wichtige Positionen in der Verwaltung nicht jahrelang unbesetzt zu lassen, zum Beispiel. An sich fragen sich die „normalen Menschen“ auf der Straße eher selten, ob das Bundesverwaltungsgericht schon einen Präsidenten oder die Alterssicherungskommission schon einen Vorsitzenden hat – aber die Summe der Lücken verstärkt nun doch den Eindruck eines dysfunktionalen Staats. Und es ist ja nicht nur der Eindruck, der der aktuellen Regierung schadet – es macht auch den Staat angreifbar, fall einmal jemand an die Macht kommt, der ihn untergraben will.

Also: Okay, wenn man darüber redet, dass eh alles gut sei – wichtiger wäre aber, gute Arbeit zu leisten.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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