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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


sprechen wir über Schweine*. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Antrag der burgenländischen Landesregierung (welche Zeitung wohl als erste „Schweine würden Dosko wählen“ titelt?) entschieden, die 17-jährige Übergangsfrist zum kompletten Verbot von Vollspaltböden in Schweineställen aufzuheben. Das stellt die Koalition vor eine interessante Herausforderung – und könnte bei etwas gutem Willen noch einmal frischen Wind in die zuletzt etwas erlahmte Legislatur bringen.

Mitte 2022 hatte die türkis-grüne Koalition ja in einer Novelle zum Tierschutzgesetz den Ausstieg österreichischer Bauern aus der Vollspalthaltung beschlossen. Dabei leben die Tiere auf einem von Spalten durchsetzten Betonboden praktisch direkt über ihren Exkrementen, was den Landwirten Arbeit und Geld fürs regelmäßige Ausmisten spart, bei den Tieren aber häufiger als auf Stroheinstreu zu Krankheiten führt.
 
 
 
 
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Besonders die den Grünen nahestehende Tierschützer-Lobby hatte sich für das Verbot eingesetzt. Weil sich die ÖVP aber als Vertreterin der Landwirtschaft sieht, fand man einen Kompromiss. Für neu ge- bzw. umgebaute Ställe hat man die Vollspaltenhaltung ab sofort verboten – bei bestehenden hätten die Landwirte dagegen bis 2040 Zeit, umzurüsten.

Ordnungspolitik darf weh tun
Hätten. Denn in seinem Erkenntnis argumentiert das Höchstgericht, diese 17-jährige Übergangsfrist sei zu lang. Zwar habe der Gesetzgeber Spielraum, Übergangsfristen für Gesetze vorzusehen – aber diese müssen dem Gleichheitssatz der Verfassung entsprechen und damit sachlich begründbar sein. Und das sei diese Regelung eben nicht: Weil Bauern, die neue Ställe bauen, schon jetzt die aufwendigere Stallform nutzen müssen, solche mit bestehenden Ställen aber erst 2040 dazu gezwungen wären, hätten letztere einen Wettbewerbsvorteil – und das bis zu 17 Jahre lang.

Das geht nicht, sagt das Höchstgericht – und hebt nicht das ganze Verbot, sondern nur die Übergangsregelung auf. Der Nationalrat hat jetzt die üblichen eineinhalb Jahre Zeit, eine neue Regelung zu beschließen, sonst drohen Schweinehaltern mit Vollspaltböden ab Juni 2025 hohe Strafen. 

Jetzt einmal ganz abgesehen vom Tierschutzgedanken: Aus politischer Sicht ist dieses Erkenntnis begrüßenswert – weil es der Feigheit von Regierungspolitikern, Reformen so weit zu erstrecken, dass sie ja niemandem wehtun, einen Riegel vorschiebt. Ordnungspolitik darf weh tun, der Gesetzgeber darf und soll seine Entscheidungen, die bestehende Strukturen betreffen, nicht bis St. Nimmerlein verschieben.Grundsätze, die er sich zB auch beim Heizungs- oder Verbrennerausstieg merken sollte.

Tauschmaterial für die Grünen
In die in den vergangenen Monaten erlahmte Koalition sollte der Richterspruch jetzt noch einmal Dynamik bringen. Denn auch, wenn die Grünen bereits jubeln: Eine Übergangsfrist von nur eineinhalb Jahren ist für beträchtliche Investitionen wie diese einfach zu kurz. ÖVP und Grüne sollten entlang der im Erkenntnis gezeichneten Einflugschneise – der VfGH deutet etwa an, eine gestaffelte Übergangsfrist je nach Inbetriebnahme des Stalls wäre eine Option – eine neue, kürzere Einschleifregelung finden, um die Bäuerinnen und Bauern des Landes nicht zu überfordern. 

Man muss kein Zyniker sein, um zu sehen, dass vor allem die ÖVP ein Interesse an so einer Neuregelung haben wird – und die Grünen so neues „Tauschmaterial“ für Anliegen bekommen, die ihnen wichtig sind. Vom Klimaschutzgesetz über die Reform von Förderungen wäre etwa im Klimabereich einiges offen. Auch die ebenfalls vom VfGH eingeforderte ORF-Reform oder die neue Weisungsspitze in der Justiz würden noch einer Umsetzung harren. Wenn das jetzt der Impuls ist, den es braucht, sollte ihn die Regierung nutzen.

Herzlich,
Ihr Georg Renner


*In diesem Fall geht es um echte Schweine. Aber, weil es mir gerade einfällt, während ich das schreibe: Auch metaphorische Schweine hatten schon ihren Platz in der österreichischen Polit-Kommentierung. Michel Reimon, heute Nationalratsabgeordneter der Grünen, hat 2011 im Standard den ebenso hellsichtigen wie lesenswerten Text „Posten sind Schweine“ über Regierungspolitiker, Sideletter und die politische Vergabe von Jobs veröffentlicht. Damals war Reimon, und so schließt sich der (Tier-)Kreis, übrigens Landtagsabgeordneter – im Burgenland.
 
 
 
 
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