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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Staatsbürgerschaft ist von links bis rechts ein beliebtes, emotionalisierendes Thema. Die Fragen, wer sie bekommt, wie man sie bekommt und wie man sie verliert, eignen sich hervorragend, die eigene Position abzugrenzen, haben aber für die eigene Wählerschaft kaum unmittelbare Auswirkungen - und kosten praktisch nichts. Ich mutmaße ja, dass meine Position – harte, anspruchsvolle Kriterien, um Österreicher zu werden, aber wer es einmal ist, bleibt es mit allen Rechten und Pflichten – die einer breiten Mitte ist. 

Aber das denken vermutlich auch alle, die eine Absenkung der Kriterien für den Erwerb oder den Entzug für „schlecht Integrierte“ fordern – wie es die FPÖ im Windschatten der Enthüllungen um „Remigrations“-Fantasien von AfD und Co. tut. Einmal ganz abgesehen davon, dass eine solche Zweiklassen-Staatsbürgerschaft - ausgerechnet – allem widerspräche, was das „Volk“ im Sinne unserer Verfassung ausmacht: auch in dieser Debatte sollte das Minimum sein, dass Österreich seine eigenen, selbst eingegangenen internationalen Verpflichtungen nicht ignoriert.
 
 
 
 
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Aber von vorn: 2021 hat der Staat eine weitere Möglichkeit geschaffen, Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Damals hat das Parlament mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos das „Anti-Terror-Paket“ beschlossen, eine Reaktion auf den Anschlag in Wien im November 2020. Darin enthalten die Möglichkeit, Österreichern die Staatsbürgerschaft zu entziehen, die nach den Terrorparagraphen im Strafgesetzbuch (Begehung, Vorbereitung, Organisation und Finanzierung, aber auch nur bloßes Gutheißen von Terrorakten) verurteilt worden sind.

Den Interessen des Staates abträglich
Für Feinspitze empfehle ich die Erläuterungen der Regierung zu der Novelle – unter anderem die Begründung, warum dieser Entzug auch im Rahmen internationalen Rechts möglich ist, das Staaten eben davon abhalten soll, ihre -bürgerschaften allzu schnell wieder zu entziehen. Das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit zum Beispiel verlangt für die Entziehung ein „Verhalten, das den wesentlichen Interessen des Vertragsstaats in schwerwiegender Weise abträglich ist“. Das ist eine recht dehnbare Formulierung, aber dass Terrorismus eher darunterfällt als ein bloßer Hendldiebstahl, scheint mir argumentierbar.

Eine Partei hat dem Ganzen damals nicht zugestimmt: die FPÖ, die (bzw. deren Schwester in Deutschland) Ausgangspunkt der jetzigen Diskussion ist. Das hing teilweise mit anderen Inhalten des Pakets zusammen – etwa, dass auch die Symbole der Identitären verboten wurden –, aber auch damit, dass die Aufweichung der Staatsbürgerschaft ihr damals nicht weit genug ging. In der parlamentarischen Debatte dazu erklärte der blaue Abgeordnete Hannes Amesbauer:

„Wir müssen diese Menschen loswerden! Und ich weiß schon, Sie werden dann wieder sagen: Dann verstoßen wir möglicherweise gegen das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit. – Ja, drauf gepfiffen, meine Damen und Herren, denn wenn es um die Sicherheit dieser Republik geht, wenn es um das Leben von Menschen in Österreich geht, dann können wir uns hier nicht mit irgendwelchem Kleinkram herumschlagen!
(Beifall bei der FPÖ.)“


Schwer umsetzbare Entziehungs-Fantasien
„Irgendwelcher Kleinkram“ also. Österreich hat sich tatsächlich völkerrechtlich verpflichtet, niemandem seine letzte Staatsbürgerschaft zu entziehen. Und das hat, da hat Amesbauer recht, den Effekt, dass die Republik trotz der neuen Regel auch Terroristinnen und Terroristen nur selten ausbürgern kann, denn legale Mehrfachstaatsbürgerschaften sind in Österreich mittlerweile Ausnahmen. Was die FPÖ damals wie bei anderen Entziehungs-Fantasien nicht dazu sagt: Besagte Verpflichtung musste das österreichische Parlament genehmigen – und das hat es 1972 getan; einstimmig, also auch mit den Stimmen der Freiheitlichen.

Diese Episode scheint mir das Problem mit Parteien ganz gut zu illustrieren, die solchen plakativen, scheinbar einfachen Lösungen das Wort reden wie: „Wir nehmen denen einfach die Staatsbürgerschaft weg, und dann schieben wir sie ab!“ Man setzt eine Idee in den Raum, die für die eigene Klientel gut klingt – und wenn die dann an Regeln scheitert, die man einst selbst mitbeschlossen hat, schiebt man das auf ein angebliches böses System, das einen mit „Kleinkram“ blockiert.

Nicht falsch verstehen: Klar kann man als Partei nach 50 Jahren dazulernen, seine Position ändern. Man sollte es aber begründen und erklären, wie man aus der geltenden Rechtslage wieder herauskommt – soll Österreich internationale Abkommen einfach ignorieren? Wollen wir sie aufkündigen? Mit den anderen Vertragsstaaten verhandeln? Komplexe Verhältnisse – von denen die Republik insgesamt profitiert hat – erfordern nun einmal komplexe Lösungen, nicht nur „Kleinkram“ zu krakeelen.

Das kann man sich vielleicht als Oppositionspartei leisten – es ist dort auch schon schlechter Stil –, aber als Partei, die einen Regierungs- oder sogar Kanzleranspruch stellt, ist es zu wenig. Im Bund zu regieren, das Land gestalten zu wollen, bedeutet, innerhalb nationaler, europäischer und internationaler Voraussetzungen Wege zu finden, seine Ideen umzusetzen. Das ist, gerade bei Migrationspolitik, harte Arbeit, die Verhandlungsgeschick auf allen Ebenen erfordert, von den Gemeinden ganz unten bis zur UNO.

Wer schon im Wahlkampf Allmachtsfantasien wälzt und so tut, als ob eine Mehrheit bei einer Nationalratswahl das Ticket wäre, alles nach Belieben ändern zu können, der täuscht seine Wähler und sich selbst. Und Täuschung ist bekanntlich die Vorstufe zur Enttäuschung.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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