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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


wenn Journalisten über Medienpolitik schreiben, schwingt ja immer ein bisschen der Verdacht mit, dass sie eigentlich a. Geld vom Staat, b. über den Umweg des Gesetzes Konkurrenz abstechen oder c. aus Zorn über die eigene Branche alles niederbrennen wollen. Jetzt kann ich Ihnen versichern, dass das alles in meinem Fall nicht zutrifft, aber ob Sie das glauben, müssen Sie selbst entscheiden. Also ja, disclaimer: Hier habe ich naturgemäß mehr „skin in the game“ als bei den meisten Themen, über die ich schreibe; Sie wurden gewarnt.

Die vergangene Woche war eher eine üble für die heimische Medienszene: Die oberösterreichische ÖVP hat sich entschieden, die letzte gedruckte Parteitageszeitung, das OÖ Volksblatt, mit Ende des Jahres einzustellen, die Zahl der gedruckten Tageszeitungen in Österreich schrumpft damit auf zwölf. Fast gleichzeitig hat der Verband Österreichischer Zeitungen den Kollektivvertrag für Tageszeitungs- und ihre Onlinejournalisten gekündigt.

Auch wenn ich die Gründe dafür zu einem gewissen Grad nachvollziehbar finde – dazu gleich mehr – muss man festhalten: Dass der Verband das getan hat, ohne die Gewerkschaft auch nur mit einem Anruf vorzuwarnen, spricht Bände über das strategische Denken dort. Ganz abgesehen davon, dass man das sozialpartnerschaftliche Gegenüber für einen Folgevertrag brauchen wird, macht man so nur sehr bedingt Werbung für eine Branche, die es ohnehin von Jahr zu Jahr schwerer haben wird, noch Fachkräfte zu finden.

Einnahmen sinken, Kosten explodieren
Die Krise der Zeitungen betrifft sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben. Erstens schrumpft der Markt für die beiden Hauptprodukte der Verlage, für Abonnements und Inserate. Zusätzlich zu der Tatsache, dass Menschen unter 40 kaum noch voll bezahlte Abos kaufen, bekommen inzwischen auch immer mehr ältere Semester den Eindruck, dass sie sich digital anderswo weit günstiger informieren und unterhalten können. Außerdem dämmert auch Werbekunden, dass eine Doppelseite in einer Tageszeitung keinen fünfstelligen Eurobetrag mehr wert ist.
 
 
 
 
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Auf der anderen Seite stehen Kostensteigerungen an allen Ecken und Enden: Mit dem Gaspreis hat sich auch jener für Papier vervielfacht; Zustellerinnen und Zusteller sind rar und damit teurer geworden, weil viele auch ungelernte Menschen inzwischen weit bessere Jobs finden, als mitten in der Nacht um wenig Geld im eigenen Auto von Haus zu Haus zu fahren; und dann ist da eben noch der Kollektivvertrag, der zusätzlich zur jährlich verhandelten Inflationsanpassung Fünfjahressprünge im Gehalt vorsieht. 

Man muss kein großer Rechner sein, um zu sehen: Das wird sich auf Dauer nicht ausgehen. Zeitung zu machen war lange Zeit ein gutes Geschäft, jetzt ist es das nicht mehr – und die digitalen Geschäftsmodelle, die an seine Stelle treten, taugen Stand jetzt eher dazu, mit Glück eine niedrige zweistellige Zahl an Mitarbeitern zu finanzieren als Dutzende oder hunderte wie in den Verlagen derzeit. Das wird ein schmerzhafter Schrumpfungsprozess – und darunter werden Meinungsvielfalt und Qualität der öffentlichen Debatte leiden.

Förderungen abseits der Evolution
Kompensiert und sogar – im wahrsten Sinn des Wortes – gefördert hat diese Entwicklung über Jahrzehnte eine Medienpolitik, die sich im Wesentlichen auf die Fortschreibung des Status Quo beschränkt hat. Das tut sie auch jetzt noch, die gerade wieder vergebene „Transformationsförderung“ der Republik ist zugeschnitten auf große Verlage und deren Projekte, zumindest einen Teil ihrer Größe zu retten.

Das kann man schon so machen; ich fürchte nur, dass es an der Evolution des Mediensystems wenig ändern wird. Prognosen sind schwierig, aber aus dem Stand – und, wie gesagt, von meinem Standpunkt aus – würde ich heute vorhersagen: In zehn Jahren wird die Medienlandschaft abseits des Öffentlich-Rechtlichen weit kleinteiliger sein als heute. Weniger, stark geschrumpfte Zeitungen, aber mehr Medienmarken mit einer Handvoll Journalistinnen und Journalisten – und die werden mehr Influencer-Anmutung und -Inszenierung haben als redaktionelle Gravitas.

Wie diese neue Öffentlichkeit inhaltlich ausschaut, wird die Medienpolitik dieser und der nächsten Regierung mitgestalten. Dass der ORF finanziell (dank Verfassungsgerichtshof) über die Haushaltsabgabe abgesichert worden ist, ist in dieser dynamischen Entwicklung sinnvoll – jetzt noch die unsinnige Beschränkung von orf.at rückgängig zu machen und das Aufsichtsgremium zu entpolitisieren wäre wichtig, um auf der öffentlich-rechtlichen Schiene Breiteninformation abzusichern.

Wenn Propaganda die Lücke füllt
Auf der privaten Schiene sollte eine konstruktive Förderpolitik – ja, die braucht es, der österreichische Markt ist klein – dafür sorgen, dass die Medien von morgen gewisse Qualitätskriterien einhalten. Läuft die Entwicklung weiter wie bisher, wird die öffentliche Debatte in Zukunft stark von Partei- und Propagandamedien geprägt sein, die günstig, vielleicht KI-gestützt, und ohne Recherche Meldungen ins Netz ballern. 

Abhilfe könnte beispielsweise eine Umwidmung des – noch immer sehr großzügigen – öffentlichen Inseratewesens schaffen: Indem man die Vergabe zB als Förderung an Qualitätskriterien (jene des Presserates wären eine gute Orientierung) koppelt und sie auch kleineren Plattformen zugänglich macht – etwa durch eine Fachjury –, könnte das in Österreich noch recht zarte Ökosystem neuer Qualitätsmedien schnell gedeihen. 

Das muss man freilich wollen. Aber das Beispiel der Slowakei, wo vor den Wahlen am Sonntag Desinformationskampagnen fröhliche Urständ feierten, zeigt, dass die Gefahren real sind, wenn Propaganda die Lücke füllt, die die alte journalistische Öffentlichkeit hinterlässt.


Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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