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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Ende vergangener Woche habe ich an das geflügelte Wort „Seien Sie vorsichtig, was Sie sich wünschen – es könnte irgendwann einmal in Erfüllung gehen“ denken müssen.
Vor mehr als einem Jahr habe ich Folgendes geschrieben: „Alles in allem: Wie die auf Pump finanzierten Covid-19-Hilfen verteilt wurden, war ein Desaster. (…) Der Vorschlag von FPÖ und SPÖ, die Vorgänge im Parlament ausführlich zu untersuchen, ist gut.“ Und jetzt bekomme ich nicht bloß einen Cofag-Untersuchungsausschuss, sondern gleich zwei.
Mein Optimismus, dass beide im Ergebnis zu gemeinsamen, soliden Empfehlungen führen werden, wie man staatliche Hilfsmaßnahmen in Zukunft aufsetzt, hält sich nach Genuss beider Einsetzungsverlangen in recht überschaubaren Grenzen. SPÖ und FPÖ beantragen wörtlich die Untersuchung „betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“. Und die ÖVP nennt ihr Ding gleich einmal „ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“.
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Sie finden die beiden Verlangen hier (Krainer, Hafenecker & Co) und hier (Hanger et al.), ich möchte aber abraten, sie auf nüchternen Magen zu genießen. Denn, machen wir uns nichts vor, es dringt den Anträgen aus jeder Faser: Das sind Wahlkampf-Trägerraketen, gebaut und gezündet, um Themen on air zu halten, die dem jeweiligen Gegenüber hoffentlich genau dann recht unangenehm sind, wenn wir Bürgerinnen und Bürger gerade intensiv studieren, wem wir unsere Stimme leihen wollen.
Das tut gleich mehreren Institutionen Unrecht: den betroffenen Unternehmen; den Beamtinnen und Beamten und politisch Verantwortlichen für die Hilfsmaßnahmen; und dem Prinzip U-Ausschuss an sich.
Unternehmen, Unterstützer, Untersucher
Zum ersten: Wie kommen Unternehmerinnen und Unternehmer, die auf Basis zwar eilig beschlossenen, aber geltenden Rechts Corona-Hilfen beantragt haben, dazu, sich jetzt wegen echter oder unterstellter Politiknähe durch die Wahlkampf-Arena schleifen zu lassen? Kein Mensch hat etwas dagegen, echte Günstlingswirtschaft zu kritisieren und aufzuzeigen – aber wenn, wie es die Verlangen nahelegen, tatsächlich tausende Betriebe von den Untersuchungen erfasst werden, ist das nichts anderes als Generalverdacht, ein Angriff auf den Wirtschaftsstandort.
Zweitens: Auch wenn die Staatshilfen, wie von Rechnungshof und Verfassungsgerichtshof ausgeführt, schlecht aufgesetzt waren, sollte man bis zum Beweis des Gegenteils annehmen, dass ein großer Teil davon einer beispiellosen Stresssituation und mangelnder Kompetenz für diese Art Krise geschuldet war – und nicht bösem Willen. So, wie die Verlangen formuliert sind, ist schon klar, dass es beiden Seiten um die Zuschreibung von Korruption geht. Das kann man noch immer so ausdrücken, wenn es bei der Untersuchung herauskommen sollte, aber schon mit dieser Einstellung in den Prozess hineinzugehen, tut all jenen Unrecht, die in der Pandemie im Angesicht eines drohenden Wirtschaftskollaps‘ nächtelang an Hilfen gefeilt haben. Viel Spaß, in Zukunft Beamte zu finden, die eine solche Hauruck-Aktion stemmen.
Und drittens: Mit solchen Showeinlagen zerlegt man auch das Instrument U-Ausschuss. Das hat, weil es naturgemäß immer den Charakter einer politischen Arena hat, ohnehin keinen besonders guten Ruf – aber binnen weniger Monate, unmittelbar vor einer Nationalrats- und mitten in der EU-Wahl noch vor einer offensichtlich notwendigen Geschäftsordnungs-Reform ein relativ komplexes Thema in widerstreitenden Ausschüssen durch die Manege zu zerren: Das kann nicht gut ausgehen.
Überlegen Sie sich das nochmal
Wenn die drei Klubs vernünftig sind, sollten sie die kommenden Tage und Wochen nutzen, sich das noch einmal zu überlegen. In einem ersten Schritt sollten sie eine Reform der U-Ausschuss-Ordnung auf Basis der Erfahrungen der vergangenen Untersuchungen beschließen. Das leidige Live-Übertragungsthema ist nur ein kleiner Aspekt davon, wichtiger wäre eine präzisere Abgrenzung der anforderbaren Dokumente und die Einrichtung schnellerer Schiedsstellen bei Konflikten, etwa indem man den Vorsitz neutralisiert.
Und alle politischen Kräfte sollten überlegen, ob es wirklich gescheit ist, die Pandemie-Hilfsmaßnahmen in eine Wahlkampfarena zu schleifen (Spoiler: nein). Das Thema verdient eine eingehende Untersuchung, gerne auch unter Befragung von Beamten und Unternehmerinnen – aber in einer nüchternen Atmosphäre, mit dem Ziel, in der nächsten Pandemie (Gott bewahre) oder sonstigen Krisen besser und effizienter helfen zu können.
Und das geht in der nächsten, hoffentlich sehr, sehr langweiligen Legislaturperiode noch genauso.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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