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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


In der österreichischen Vertretung in Brüssel dürften sich in den vergangenen Wochen wilde Szenen abgespielt haben – also, so wild es unter Diplomaten und Beamten halt wird. Klimaministerin Leonore Gewessler hatte ihrer Mitarbeiterin in unserer Ständigen Vertretung bei der Union den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) übermittelt, auf dass er von dort der EU-Kommission weitergeleitet würde – was auch geschah.

Nachdem die Union den Entwurf auf der Website veröffentlicht hatte, auf der sie die nationalen Pläne sammelt, schrillten im Bundeskanzleramt die Alarmglocken – und Europaministerin Karoline Edtstadler, der die Ständige Vertretung formal untersteht, griff durch (als erstes hat übrigens der Kurier berichtet) und wies den Botschafter an, bei der Kommission zu melden, dass das übermittelte Dokument nicht der österreichische NEKP-Entwurf sei. Ober sticht Unter, der Entwurf verschwand vorerst ersatzlos wieder von der Kommissionswebsite.

Einzigartig, aber nicht im positiven Sinn
Jetzt hat das ganze drei Dimensionen: Auf der europäischen Ebene ist das zuallererst einmal – saupeinlich. Die Erstellung der NEKPs ist ein bürokratisch-politischer Prozess mit mehreren Feedback-Schleifen, der sich bereits seit einigen Jahren hinzieht. Ziel ist es, die Staaten dokumentieren zu lassen, mit welchen konkreten Maßnahmen sie ihre individuell mit der Union vereinbarten Klimaziele bis 2030 zu erreichen gedenken – und wo sie auf diesem Weg stehen. Die ersten Entwürfe sind Ende 2018 eingereicht worden, die finalen Pläne müssen bis Mitte 2024 nach Brüssel geschickt werden – und Ende Juni 2023 wäre nach Artikel 14 der entsprechenden EU-Verordnung ein Update fällig gewesen, wie weit wir mit dem finalen Plan so sind.
 
 
 
 
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22 der 27 EU-Staaten haben das bisher geschafft, nicht alle zur genauen Frist, aber immerhin. Die österreichische Vorgehensweise – Ministerin gibt einen Plan ab, eine andere zieht ihn dann aber zurück – ist dagegen ziemlich einzigartig, und nicht im positiven Sinn: Solche Partner, die nach außen nicht mit einer Stimme sprechen, wie zerstrittene Eltern, die der Schule mal hü und mal hott sagen, braucht man in einer halbwegs handlungsfähigen Union nun wirklich nicht. Zu unserem Glück hat besagte Union gerade aber ganz andere Probleme. Trotzdem wird das unseren angesichts des Schengen-Vetos ohnehin schon angeschlagenen Ruf zwischen Brüssel und Strassburg eher nur mittelmäßig verbessern.

Abgestimmt – oder doch nicht?
Die zweite Dimension ist die innenpolitische, und da ist es noch immer peinlich – nur weniger eindeutig, wem die Peinlichkeit konkret zuzuordnen ist. Primär verantwortlich für die Abfassung des Plans ist Gewesslers Ressort. Aber weil der Dutzende Maßnahmen beinhaltet, die nicht nur andere Ministerien, sondern auch Länder und Gemeinden betreffen (vom Heizungstausch über kommunale Investitionen bis zum Infrastrukturausbau), muss der Plan – immerhin soll der Mitte kommenden Jahres abzugebende verbindlich sein – mit allen anderen Akteuren abgestimmt sein. 


Wie genau diese Abstimmung auszusehen hat, darüber scheiden sich eben die Geister: In Gewesslers Ressort verweist man darauf, dass man ja eine Begutachtung des Plans mit Stellungnahmen aller Institutionen durchgeführt – Sie finden sie alle und den Erstentwurf hier – und mit den anderen Ministerien laufend beraten habe. In der ÖVP hätte man unter einer passenden Abstimmung dagegen eher eine umfassende Koalitionseinigung gesehen. An sich hat die Koalition ja vereinbart, dass Minister Entscheidungen, die ihr Ressort betreffen, eigenständig treffen können, weitergehende nur nach einer türkis-grünen Einigung – die Einreichung des NEKP-Entwurfs fällt irgendwo dazwischen, die Frage, wer Recht hat, wird sich nicht abschließend klären lassen. Ich tendiere ja ein wenig zu der ÖVP-Interpretation – dass Gewessler die Einreichung im Oktober nicht groß zelebriert hat, nicht einmal eine Presseaussendung über dieses zentrale Dokument gemacht beziehungsweise es veröffentlicht hat, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass man gewusst hat: Hier passiert etwas, auf das man nicht unbedingt stolz ist.


Dritte Dimension der Peinlichkeit
Das kann allerdings auch an der dritten Dimension liegen: Dem Inhalt des NEKP – denn auch der ist, wenn sich die Regierung ernst nimmt, peinlich. Bis 2040, so hat sich die Koalition ja zum Ziel gesetzt, soll Österreich „klimaneutral“ sein. Und von dem nötigen Zielpfad ist man weit entfernt, wie es in dem Begutschtungsentwurf zum NEKP-Entwurf heißt: „Die Ergebnisse der WAM-Modellierung zeigen, dass weitere Politiken und Maßnahmen notwendig sein werden, um die verbleibende Lücke von rd. 8,0 Mio. tCO2eq im Jahr 2030 zur Erreichung der THG-Reduktion von minus 48 % (gegenüber 2005) durch Maßnahmen im Inland sicherzustellen.“ 


Dieser elegant formulierte Satz heißt nichts anderes als: Selbst wenn Türkis-Grün alle von ihnen selbst geplanten Schritte – zum Beispiel auch den Abbau klimaschädlicher Förderungen, von dem bis dato nichts zu sehen ist – tatsächlich umsetzt (das ist das WAM-Szenario „with additional measures“), verpassen wir den Zielpfad dorthin deutlich: Für 2030 rechnet das Ministerium selbst in diesem Szenario mit einem CO2-Ausstoß von rund 37 Millionen Tonnen – das EU-Ziel (und der Zielpfad für 2040) läge bei unter 30 Millionen Tonnen. 


Kurz zusammengefasst: Türkis-Grün streitet hier um einen Plan, der nicht einmal die eigenen Ziele, geschweige denn jene der EU erreichen würde. Das ist die eigentliche Peinlichkeit, das muss bis zur finalen Abgabe des Plans Mitte 2024 besser werden. Was bis dahin geschehen muss, liegt auf der Hand: Es sollte ein auch innerstaatlich verbindlicher Zielpfad beschlossen werden, gemeinsam mit Ländern, Gemeinden und anderen Parteien, mit dem das Ziel 2040 erreicht werden kann. Die Schritte, die das bräuchte, sollten inzwischen bekannt sein – von Streichung oder Überarbeitung der genannten Förderungen über eine Bodenstrategie bis zur Erhöhung der CO2-Abgabe zum Beispiel.


Das würde eine gewaltige Anstrengung, politisches Commitment zum selbst formulierten Ziel Klimaneutralität 2040 und ernsthafte Politik erfordern – und weit mehr als bürokratische Machtspielchen zwischen Wien und Brüssel.


Herzlich,
Ihr Georg Renner

 
 
 
 
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