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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


vor ein paar Tagen hat mir ein Tweet eines SPÖ-Kommunikationsprofis zu denken gegeben. Er hat sinngemäß geschrieben, eh klar, die ganzen Journalisten fantasieren wieder was von einem Nato-Beitritt, aber das Volk interessiert das Ganze Nüsse.
Ich habe mich erwischt gefühlt, denn: Er hat recht. Leider. 

Aber von vorn: Das Bundesheer hat vergangene Woche sein jährliches „Risikobild“ vorgelegt – das ist eine der besten öffentlichen Analysen, was die geopolitische Lage und die Rolle Österreichs in ihr betrifft. Zur Einschätzung der Ernsthaftigkeit: Das Risikobild ist der Ort, an dem Expertinnen und Experten Jahre vor Corona vor der systemischen Bedrohung durch eine weltweite Pandemie gewarnt, wo sie auf die Zuspitzung des Konflikts Russlands mit dem Westen und unsere Abhängigkeiten hingewiesen haben – ohne dass es groß wen interessiert hätte.

„Welt aus den Fugen“
In der heurigen Ausgabe verweist das Heer unter dem Titel „Welt aus den Fugen“ vor allem auf die Brüchigkeit internationaler Systeme – was die Sicherheitsarchitektur angeht, aber genauso Wirtschaftspartnerschaften und das Klima. Die Schlussfolgerung vieler Offiziere daraus: Unser Heer müsse „kriegsfähig“ werden, wie es der Leiter der Direktion Verteidigungspolitik im Ministerium, Peter Vorhofer, bei der Präsentation formuliert hat. 
 
 
 
 
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Das Wort hat sichtlich viele erschreckt, Politiker haben es weitgehend gemieden. Zu Unrecht: Es ist die Kernaufgabe jedes Heers, den Staat im Ernstfall mit Waffengewalt zu verteidigen. Und dazu muss es – in der paradoxen Hoffnung, dass der Fall nie eintritt – in der Lage sein.

Eine Schlussfolgerung, die etliche Kollegen – im Standard zum Beispiel – daraus gezogen haben: Österreich sollte sich der Nato annähern, wenn nicht sogar anschließen.
Daran ist sehr viel richtig – es ist nur politisch völlig unrealistisch.

Wenn eine Krise ungenutzt verstreicht
Durch jährliche Umfragen im Auftrag des Verteidigungsministeriums wissen wir ziemlich genau, was unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von solchen Ideen halten: 74 Prozent sind dafür, dass Österreich neutral bleibt. Seit Jahren sinkt außerdem die Zustimmung dafür, dass die Republik bei der Bewältigung internationaler Krisen und Konflikte mithelfen soll – 2019 fanden das noch 62 Prozent, zuletzt 2023 nur noch 43 Prozent. 

Jetzt kann man als Politiker natürlich für seine Überzeugungen eintreten, werben und versuchen, die Bürger dafür zu gewinnen. Den Schockmoment der russischen Invasion in der Ukraine 2022, in dem es vielleicht Spielraum gegeben hätte, hat Österreich (im Gegensatz zu Schweden und Finnland) ungenützt verstreichen lassen. Jetzt eine so monumentale Ablehnung wie jene eines Militärbündnisses aufzuweichen, würde einen massiven Einsatz politischen Kapitals erfordern – besonders, wenn man die mit jeder US-Wahl unsicherere Zukunft der Nato mitbedenkt. Und dieses Kapital hat derzeit keine der konstruktiven Kräfte im Land.

Die notwendige Nachrüstung
Nein; auf absehbare Zeit muss sich die Republik darauf fokussieren, selbst wehrfähig zu werden. Die türkis-grüne Koalition hat da schon einiges richtig gemacht: Die Milliardeninvestitionen, die zumindest den gröbsten Nachrüstungsbedarf des Heeres in den nächsten Jahren abdecken, waren ein guter Schritt, wie auch die Teilnahme an dem internationalen „Skyshield“-Programm.

Was ebenso dringend notwendig wäre: eine personelle Nachrüstung. Und zwar nicht nur, was die Berufsoffiziere angeht, sondern besonders bei den einfachen Soldaten. Bei der unseligen Volksbefragung 2013 hat sich Österreich entschieden, weiterhin auf – zuvor durch Verkürzung und Streichung verpflichtender Übungen unterhöhlte - Wehrpflicht und Miliz zu setzen, in der Folge aber zu wenig getan, um dieses System wieder in Form zu bringen.

Ohne verpflichtende Übungen in den Jahren nach dem Wehrdienst geht (besonders bei komplexeren Funktionen) die Kompetenz der Soldaten verloren – was heißt, wir bilden jedes Jahr zehntausende junge Männer (und einige Frauen) an der Waffe aus, um diese Expertise dann gleich wieder sausen zu lassen. Das ist widersinnig. Wer es mit der Landesverteidigung ernst meint, wird – wie es die FPÖ zu Recht fordert – zumindest die verpflichtenden Milizübungen wieder einführen müssen, auch wenn das ein paar Wochen lang Arbeitskräfte bindet. 

Außerdem wird sich die nächste Regierung – trotzdem – überlegen müssen, wie sie den Wehrdienst attraktiver macht, um auch in geburtenschwachen Jahrgängen bei steigender Untauglichkeit zumindest die Grundfunktionen im Heer besetzen zu können. Das wird wiederum Probleme bei den Hilfsorganisationen machen, die auf Zivildiener angewiesen sind …

Sie sehen: Allein verteidigungspolitisch gibt es genug zu diskutieren – ganz ohne die Nato-Frage.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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