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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Der EU-Wahlkampf nähert sich seinem Zenit. Für uns einschlägig Geneigte heißt das, dass uns Spitzen- und sonstige Kandidaten bis zur Wahl am 9. Juni praktisch täglich auf allen Kanälen entgegenlachen; heute um 16 Uhr starten etwa Harald Vilimsky und Helmut Brandstätter den Zyklus der TV-Duelle auf ORF 3. 

Ich bin sicher, den Kandidaten wird in diesen Konfrontationen sehr daran gelegen sein, vor allem über die drängenden Sachfragen zu sprechen, vor denen unsere Union derzeit steht. Ich würde mich freuen; denn darunter sind wirtschafts-, klima- und geopolitische Fragestellungen, bei denen sich einfache Antworten verbieten und jedes Handeln oder Nicht-Handeln einen Rattenschwanz an unerfreulichen Folgen nach sich zieht. So etwas in Diskussionen durch die parteipolitische Brille aufgedröselt zu bekommen, fände ich interessant.
 
 
 
 
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Nehmen wir etwa die Frage, ob die Union ihre Zölle auf chinesische Elektroautos erhöhen sollte. Derzeit werden dabei zehn Prozent vom Warenwert fällig (alle Einfuhrzölle finden Sie übrigens auf dieser Seite der EU-Kommission), aber die Kommission spielt mit dem Gedanken, diesen Tarif deutlich zu erhöhen, weil . . . nun ja: schon allein, mit welcher Begründung man diesen Satz beendet, ist Teil der politischen Debatte.

Fairer Wettbewerb oder blanker Protektionismus
Die offizielle Begründung der Kommission wird wohl lauten, dass China den Verdacht nicht entkräften hat können (Hersteller wie BYD waren nicht kooperativ bei den Erhebungen der EU), die Regeln der Welthandelsorganisation WTO für fairen Wettbewerb durch enorme staatliche Subventionen unterlaufen zu haben. Nach offiziellem Abschluss einer Untersuchung dazu – der Bericht wird in den nächsten Wochen erwartet – könnte die Kommission daher den Zoll anheben, um ein „level playing field“ herzustellen.

Die WTO-Regeln sind gut und schön, aber natürlich geht es auch ein bisschen um nationale wirtschaftliche Interessen: Staaten wie Frankreich fürchten, dass chinesische Elektroautos ihren heimischen Autoherstellern sowohl preislich als auch qualitativ überlegen sein könnten. Höhere Zölle würden dafür sorgen, dass mehr europäische Autos verkauft, Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Europa (und besonders in Österreich mit seiner starken Autozulieferindustrie) gehalten werden. 

Dann ist da, drittens, das Know-How-Thema: Wenn ein Staat bzw. die Union ganze Industriezweige verliert – so geschehen bei der Solarproduktion –, verliert es nicht nur aktuelle Kapazitäten und Wertschöpfung, sondern auch künftige: Wenn ein ganzes wirtschaftliches Ökosystem abwandert, samt Forschung und Entwicklung, schafft das potenziell fatale Abhängigkeiten. Ist eine Industrie einmal ausgestorben, ist sie nur mit enormen Aufwand wiederzubeleben. Also spricht einiges dafür, schon aus diesem Grund heimische Industrien zu „verteidigen“ – wie es die USA gerade tun, die ihren Zoll auf chinesische E-Autos von 25 auf 100 Prozent hochschnalzen.

Billige China-E-Autos fürs Klima
Das sind alles argumentierbare Gründe, für Zölle zu sein. Aber es spricht auch einiges dagegen: Gerade bei Elektroautos schlagen sich höhere Zölle mit dem Ziel, möglichst schnell die Treibhausgase im Verkehrsbereich auf null zu bringen. Dass billige, gute E-Autos ein zentraler Schlüssel dazu sein werden, ist unbestritten – dass viele europäische Marken diese Entwicklung zu lange verschlafen haben, leider auch. Warum also den Konsumenten günstige, saubere Importware durch Aufschläge madig machen?

Dann stellt sich noch die Frage, ob es just in Zeiten hoher Inflation vif ist, günstige Importprodukte künstlich teurer zu machen. Und ob Europas Autoindustrie, die besonders Oberklasse-Wagen nach Fernost verkauft, nicht mehr durch (wahrscheinliche) chinesische Gegenschläge in einem Handelskrieg zu verlieren hat, als sie durch Protektionismus gewinnen würde.

Ein erstrebenswerter Outcome eines Handelskonflikts wäre ja, dass chinesische (und andere internationale) Hersteller weite Teile ihrer Produktion für den EU-Markt in EU-Länder verlagern. Das würde zumindest Wertschöpfung und Know-How in Europa binden – aber ob das mit günstigen Preisen zusammengeht und ob das alle Beteiligten wollen, ist fraglich.

Einfache Antworten sehe ich auf solche Fragen bisher keine; aber vielleicht ändert sich das im Wahlkampf ja noch.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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