‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ 
                                                           
 
 
 
 
 
 
NEWSLETTER
 
 
 
 
 
   
Liebe Leserinnen, liebe Leser!


ich weiß, es passiert gerade viel Kommentierenswertes, aber das ist mir wirklich wichtig: heute, Dienstag, ist ein Tag, den ich gleichermaßen erwartet wie ein bisschen gefürchtet habe. Die Statistik Austria hat am Vormittag die noch ausständigen Geburtenzahlen 2023 veröffentlicht. Und wie erwartet zeigt sich, dass unsere Bevölkerungspyramide auf noch tönerneren Füßen als 2022 steht: Vergangenes Jahr sind in Österreich 77.296 Kinder zur Welt gekommen, 6,5 Prozent weniger als im – schwachen – Vorjahr. Im Vergleich zum Schnitt der Vor-Pandemie-Jahre 2015-19 liegt die Geburtenzahl sogar ein Zehntel niedriger.

Damit sinkt die Fertilitätsrate – die Zahl der Kinder, die eine Frau während ihres Lebens im Schnitt zur Welt bringt – weiter Richtung 1,3, ein historischer Tiefstand. Zur Erinnerung: Damit die Bevölkerung eines Staates ohne Migration gleichbleibt, bräuchte es eine Fertilitätsrate von deutlich über zwei, sodass Vater und Mutter langfristig „ersetzt“ werden und noch ein bisschen Reserve da ist für Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen keine Kinder bekommen.

Wie eine Gesellschaft ärmer wird
Von dieser Zahl sind wir heute, wie die meisten westlichen Staaten, nicht nur weit entfernt – wir entfernen uns immer weiter davon. Die Suche nach Gründen für den Kindermangel gleicht der Höhle auf Dagobah (oder, klassischer, einem Rorschachtest) – man findet, was man mit hineinnimmt. 
 
 
 
 
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren. Er erscheint jeden Dienstag Nachmittag.
 
 
 
 
Die Bandbreite reicht von Feminismus und dem „Angriff auf die Kernfamilie seit 1968“ über sinkende Religiosität, Verlust des Ideals „Elternschaft“, gestiegene Ansprüche an Kinder und Eltern, zu wenig Kinderbetreuungsplätze, Auseinanderdriften der Lebens- und Wertewelten junger Männer und Frauen, Mikroplastik, Instagram, Geldsorgen, und, und, und bis hin zum Kapitalismus, der die Frauen mehr als Arbeitskräfte denn als Mütter bräuchte. Die Ursachenforschung ist ein ideologisches Schlachtfeld, eine Projektionsfläche ohne die eine, klare Antwort.

Was aber klar ist, zeigt uns die Statistik: Ohne Migration – „ordentliche“ wie auch Asylmigration – würde Österreich seit Jahren schrumpfen. Und Schrumpfung bei gleichzeitiger Alterung – also weniger Menschen im Erwerbsalter gegenüber mehr Menschen in Pension und/oder Pflege – ist der schnellste Weg, eine Gesellschaft ärmer zu machen. Unser gesamtes Sozial- und Förderungssystem basiert nun einmal darauf, dass genug Einzahler da sind, die großzügige Auszahlungen finanzieren. 

Wenn Linke als Antwort auf den Klimawandel und angebliche oder echte Ungerechtigkeiten „Degrowth“ predigen – also gezielte Verarmung, auf dass die Wirtschaft schrumpfe – wirft man ihnen völlig zu Recht Träumerei und einen Anschlag auf unsere Lebensweise vor. Das gleiche sollte für Rechte gelten, die – wie konkret die FPÖ – in die Verfassung schreiben wollen, Österreich sei „kein Einwanderungsland“. Wer Immigration ablehnt, ist nichts anderes als ein „Degrowther“ – das Produktivitätswachstum, das immer weniger „Eingeborenen“ ermöglichen würde, den Wohlfahrtsstaat zu erhalten, existiert schlicht nicht. 

Was wir dagegen tun können
Eine vernünftige Politik sollte weiter nach Anreizen suchen, den Rückgang der Geburtenrate zu bremsen: Da zählt der Ausbau der Kinderbetreuung genauso dazu wie Reformen im Schulsystem. Auch finanzielle und rechtliche Anreize für Familien – im Regierungsprogramm steht etwa ein verpflichtendes Pensionssplitting – sollte man prüfen und ausbauen. Aber man sollte nicht der Illusion erliegen, dass solche (richtigen) Schraubenstellungen alles lösen können: Auch Ungarn, das mit der Einkommensteuerbefreiung für Mehrfachmütter einen großen Schritt gemacht hat, ist weit von einer Zweier-Fertilitätsrate entfernt. 

Familienpolitik ist wichtig – aber genauso essenziell für Österreichs Wohlstand wäre ein vernünftiger Umgang mit Migration: Über die Akzeptanz hinaus, dass neue Menschen hierherkommen werden müssen, sollte die Politik die Voraussetzungen schaffen, diese Menschen möglichst schnell zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen. Bei allen Problemen, die das mit sich bringt – ganz pragmatisch ist das der bessere Weg, als viel Zeit und Geld darin zu investieren, Zuwanderer abzuschrecken oder abzuschieben, die wir brauchen werden, um den hiesigen Kindermangel auszugleichen.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
ABO · Impressum & Disclaimer · Datenschutz · Newsletterprofil aktualisieren · Abmelden
 
 
 
 


(c) Satzbau Verlags GmbH