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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


In den vergangenen Tagen sind wieder einige Chats öffentlich geworden, in denen sich teils ehemalige FPÖ-Spitzenpolitiker in teils recht bunter Sprache („dann wird die Mikl explodieren“) über Postenbesetzungen unterhalten. „profil“ und „Standard“ haben alle Details; unter anderem chatteten die Herrschaften darüber:

- Ob der offensichtlich von der ÖVP gewünschte Kandidat Landespolizeidirektor von Niederösterreich werden soll

- Was der von der ÖVP nominierte Volksanwalt prüfen darf bzw. was besonders nicht (nämlich Herbert Kickls Innenministerium)

- Ob der Fitnesstrainer des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache im ORF Vorturner der Nation werden soll, wer neuer Moderator der Zeit im Bild 2 und Moskau-Bürochef des ORF werden soll und wer nicht

Legitime und nicht so legitime Absprachen
Während das in seiner Gesamtheit den Eindruck einer Partei im Machtrausch macht, muss man da einiges differenzieren - dass Norbert Hofer etwa Straches Wunsch nach einer Intervention zugunsten eines Pokercasino-Betreibers in Steuernöten rundheraus ablehnt. 

Auch, dass ein Innenminister zum Beispiel mit seiner Partei diskutiert, welche Kriterien für die Ausschreibung eines Spitzenbeamtenjobs gelten sollen – etwa, ob ein Landespolizeidirektor ein Jusstudium braucht oder ob ein Titel beim Sicherheitslehrgang einer FH reicht –, scheint mir nachvollziehbar: Er muss für seine Auswahl auch die politische Verantwortung übernehmen, sollte sich der Beamte als unfähig erweisen. Solange die Bewerbung innerhalb dieser Kriterien dann allen zugänglich ist, die sie erfüllen, ist das grundsätzlich ok. (Dass sie das häufig nicht ist, über das parteinahe Schachern von Spitzenjobs, den Missbrauch der Besetzungskommissionen und andere Krankheiten der Verwaltung haben wir übrigens unlängst im DATUM geschrieben.)
 
 
 
 
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Dass sich Regierungsmitglieder ausmachen, wer sie in der Volksanwaltschaft, ein Aufsichtsorgan gegenüber der Verwaltung, prüfen soll, ist dagegen nicht im Sinn des Erfinders. Durch die Konstruktion der VA – die drei größten Parteien im Nationalrat bestellen je einen Volksanwalt, diese beschließen zu Beginn ihrer Amtszeit ihre Zuständigkeiten – werden meistens zwei der drei Mitglieder seitens der Regierungskoalition gestellt. Dass die sich ausdealen kann, wer für welche Gebiete zuständig sein soll, sollte eine Reform korrigieren – zum Beispiel, indem die Zuständigkeiten zugelost werden.

Wie man den ORF-Stiftungsrat befreien könnte
Völlig jenseitig sind die Diskussionen, was den Rundfunk angeht. Die Unabhängigkeit des ORF ist – zu Recht – in einem eigenen Verfassungsgesetz verbrieft. Wer Nachrichtensendungen moderiert, was die Radiosender spielen, wer aus Moskau berichtet und ob Zuschauern jetzt Liegestütz, Burpees oder Kniebeugen vorgeturnt werden, darf niemals Sache eines Vizekanzlers, eines Parteisekretärs oder sonst wessen außerhalb des ORF sein. 

Dass die Politik über Jahrzehnte ein System kultiviert hat, in dem es für ORF-Mitarbeiter (bzw. solche, die es noch werden wollen) Sinn hat, bei „Freundeskreisen“ im Stiftungsrat oder gleich bei Politikern zu intervenieren, um im größten Medienunternehmen des Landes vor- und voranzukommen, ist ein Trauerspiel. Eines, das übrigens bei weitem nicht nur die Freiheitlichen aufführen – ÖVP und SPÖ haben ebenfalls eine lang zurückreichende Geschichte über Durchgriff in den Rundfunk. 

Auch, wenn keine Partei bisher dahingehend große Ambition gezeigt hat: Das VfGH-Erkenntnis, nach dem die Bestellung des ORF-Stiftungsrats neu zu regeln ist, wäre eine gute Gelegenheit, diesen Politeinfluss zurückzudrängen. Das muss nicht zwangsläufig in Form einer totalen Entpolitisierung passieren – die Parteien können schon eine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsgremiums haben –, aber dass ein Stiftungsratsvorsitzender „seiner“ Partei fröhlich Rechenschaft über Details ablegt, wer was werden soll und wer nicht, ist inakzeptabel. 

Ein neues Gesetz sollte Zähne zeigen und auch die Unabhängigkeit der Stiftungsräte absichern – mit hohen Ansprüchen bei der Besetzung der Räte und einem angemessenen Funktionsentgelt auf der einen, strengen Schweigepflichten und Strafen gegen Pflichtverstöße auf der anderen Seite. Das Ziel muss ein Gremium wie der Verfassungsgerichtshof sein, in dem die Stiftungsräte ihren Job machen, ohne Zurufe der Parteien, die sie bestellt haben.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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