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Liebe Leserinnen, liebe Leser!


am Samstag startet Karl Nehammer mit einer „Kanzlerrede“ in Wels in den Wahlkampf. Und weil die ÖVP trotz allem noch immer die ÖVP ist und an so etwas wie gestaffelte Kommunikation glaubt, können wir uns wohl jetzt schon die ganze Woche mit strategisch gesteuerten Details dessen auseinandersetzen, was besagter Kanzler uns am Wochenende als Gesamtpaket verkaufen wird. 

Ob das kommunikationstaktisch klug ist oder nicht, können wir getrost anderen überlassen. Schauen wir uns lieber die ersten, am Montag bekannt gewordenen Details von Nehammers Plan an: Er will, Trommelwirbel, den Faktor Arbeit – bzw. Leistung – entlasten, und zwar mit zwei konkret bekannten Maßnahmen: Erstens soll der Steuersatz der ersten Einkommensteuerstufe (aktuell reicht die von 12.816 bis 20.818 Euro) von 20 auf 15 Prozent sinken.
 
 
 
 
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Auf Arbeitgeberseite soll, zweitens, der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds FLAF statt durch eine 3,9-Prozent-Abgabe von der Lohnsumme künftig aus dem Bundesbudget finanziert werden – was im Wesentlichen dem Vorschlag entspricht, den Wirtschaftsminister (und Ökonom) Martin Kocher zur Senkung der Lohnnebenkosten Anfang des Jahres ventiliert hat.

Mehr Netto vom Brutto klingt immer gut
Eine Arbeitnehmerin, die brutto 2.000 Euro im Monat verdient, würde über die Steuersenkung jährlich 400 Euro mehr netto herausbekommen als jetzt; und für ihre Arbeitgeberin würde es bei einem kompletten Wegfall des FLAF-Beitrags im Jahr fast 900 Euro billiger, sie zu beschäftigen. (Von heutigem Niveau aus. Eine Senkung des Beitrags auf 3,7 Prozent 2025 ist bereits beschlossen.) 

Angesichts der hohen Abgabenlast klingt das auf den ersten Blick nach einer guten Idee. Die Abgabenlast ist in Österreich mit mehr als 43 Prozent des BIP im internationalen Vergleich hoch, was sich mittelfristig als gravierender Wettbewerbsnachteil erweisen wird. Eine Entlastung von Leistungsträgerinnen und Unternehmern wäre da hoch angebracht. 

Das Problem ist nur: Eine Entlastung muss man sich leisten können.
Es hat ja einen Grund, warum der „Faktor Arbeit“ immer nur in Mini-Schritten entlastet worden ist (im aktuellen DATUM habe ich mich etwas ausführlicher mit dem Thema auseinandergesetzt): Die Steuern und Abgaben, die an der Lohnsumme hängen, sind eine vergleichsweise sichere, einfach einzuhebende und – vor allem – hohe Einkommensquelle für den Staat. Allein die Lohnsteuer hat 2022 32,6 Milliarden Euro in die Staatskasse gespült, ein gutes Drittel der gesamten Ausgaben des Bundes. Und die Dienstgeberbeiträge zum FLAF, aus dem unter anderem die Familienbeihilfe, die Schulbuchaktion oder Schülerfreifahrt finanziert werden, schlagen in Summe mit 6,3 Milliarden Euro zu Buche.

Nur: Woher kommt das Geld?
Heißt: Wer diese halbwegs sicheren Abgaben senken will, sollte auch sagen, wo er das Geld dafür hernehmen will.
Im Wesentlichen gibt es dafür drei Möglichkeiten: Die Republik kann, erstens, schon wieder mehr Schulden machen. Nur rechnen wir schon 2024 mit einem Defizit von mehr als 20 Milliarden Euro bei prognostizierten Einnahmen von 103 Milliarden Euro; es wäre hochgradig verantwortungslos, auf diese Schulden noch mehr draufzulegen. 

Zweitens könnte der Staat anstelle der zu senkenden Abgaben neue Steuern einheben. Eine Diskussion darüber scheint mir im Wahljahr seitens der ÖVP unwahrscheinlich, aber Expertinnen sehen da durchaus Potenzial, zum Beispiel bei Steuern auf klimaschädliches Verhalten – was man aber dann erst wieder in Balance mit Wettbewerbsfähigkeit bringen müsste.

Bleibt Möglichkeit Nummer drei: Der Staat könnte seine Leistungen zurückschrauben. Auch das ist nichts, was die Politik von sich aus ansprechen wird – viel Glück einer Partei, die über eine Senkung der Familienbeihilfe nachdenkt, zum Beispiel.

Aber irgendwo wird die Gegenfinanzierung herkommen müssen. Eine verantwortungsvolle Kanzlerrede sollte, finde ich, nicht nur Milch, Honig und niedrigere Steuern versprechen – sondern auch sagen, wie dieses Schlaraffenland mit seiner alternden Bevölkerung, Klimakrise, Pflege- und Gesundheitsherausforderungen und vielem mehr sich denn so in Zukunft finanzieren soll. Ein bloßes „das wird sich durch Wachstum selbst finanzieren“ wäre angesichts der klammen Budgetsituation unserer schönen Republik etwas gar dünn für eine Kanzlerrede.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
 
 
 
 
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