Kampf den Invasoren
Wie Indien versucht, ein Unkraut loszuwerden, das einst die Kolonialherren einschleppten.
Madabas Hilfe ist unersetzlich für die Pläne des Bandipur-Nationalparks. Über die vielen verschiedenen Grassorten im Nationalpark im Südwesten Indiens weiß er besonders viel. Seit 2019 arbeitet er dort daran, wieder heimische Grasarten zu pflanzen, die seit Jahrzehnten von invasivem Unkraut verdrängt werden. Manabas widerspenstigster Gegner: Lantana Camara.
›Nur Stammesangehörige haben das Fachwissen für diese Arbeit‹, sagt Muniraju, Förster in Bandipur. Es ist gerade kurz vor Sommerbeginn 2021, als er Brandgrenzen legt. Dafür holzt oder brennt er kontrolliert Vegetation entlang der Waldgrenze ab. Diese Brandgrenzen schaffen kahle Streifen, die regelmäßige Waldbrände in Bandipur eindämmen. Danach reißen Manaba, Muniraju und 60 weitere Mitglieder der Gemeinde über rund vier Monate im Jahr den ganzen Tag widerspenstiges Unkraut mit ihren bloßen Händen aus der Erde. Nur um dann im nächsten Jahr wieder dabei zuzusehen, wie es gedeiht, angetrieben von dem sich erhitzenden Klima der Erde und großflächigen Abholzungen des Waldes. Zwanzig Jahre macht Manaba das schon. ›Ich habe zugesehen, wie der Unkrautwuchs nur noch schlimmer wurde‹, erzählt er.
Die dornige Pflanze Lantana, die in Dickichten wächst, gilt als eine der zehn invasivsten Pflanzen der Erde und ist für Manaba am schwierigsten zu entfernen: Erst hackt er die Pflanzen ab, dann entwurzelt er sie, rollt sie zusammen und packt sie zur Seite, um sie schließlich zu verbrennen. Das Wildlife Institute of India (WII) hat in einer Studie über 200.000 Quadratkilometer Indiens untersucht und herausgefunden, dass Lantana auf knapp drei Viertel dieser Fläche wächst. 44 Prozent aller Waldflächen in Indien bieten ideale Bedingungen für die Ausbreitung des Lantana-Unkrauts, schätzt die Studie: ›Warme, feuchte, fruchtbare Gebiete, die durch menschliche Nutzung zerstört wurden.‹
Die Pflanze, die auf Deutsch Wandelröschen heißt, verändert stetig die Waldlandschaft des Landes, verdrängt andere Vegetation und treibt zerstörerische Waldbrände voran. 5,5 Milliarden Dollar würde es laut WII-Studie kosten, Wandelröschen aus den Wäldern zu vertreiben. Das ist mehr als das Zehnfache des Jahreshaushalts des indischen Umweltministeriums.
Lantana hat seine Heimat eigentlich in den amerikanischen Tropen, zum Beispiel in Kolumbien. Die Kolonialmächte brachten die Pflanze nach Indien. Historische Forschung und Briefe aus dem 18. und 19. Jahrhundert zeigen, wie Kolonialisten von damals Gemälde der blühenden Pflanze in Auftrag gaben, sie in europäische botanische Gärten brachten und sie für ihr schnelles Wachsen bewunderten. So schifften sie die Samen auch von Großbritannien nach Indien. Wie für Unkraut typisch, gedeiht es in ihm fremden Gebieten besonders gut und verdrängt ganze Populationen heimischer Pflanzen. Definiert wird Unkraut als eine Pflanze, die dort wächst, wo sie nicht gebraucht wird, und zwar so, dass sie sich schnell ausbreitet. Um 1890 schon berichteten Botaniker und Botanikerinnen, dass das Wandelröschen dort hunderte von Kokosnuss- und Holzplantagen verdrängte. Heute kämpfen die ehemals von Kolonialmächten beherrschten Staaten gegen den Unkraut-Wucher, der eigentlich gar nicht auf diesen Flecken Erde hingehört.
›Die Bedrohung durch die Lantana ist heute eines der größten Probleme Indiens‹, hieß es schon 1933 in einem Artikel der indischen Fachzeitschrift Current Science. Nicht nur verändere das Wandelröschen die Waldlandschaft massiv, die Pflanze treibe große zerstörerische Waldbrände sowie die Übertragung von Krankheiten bei Menschen und Tieren voran. Ein Grund dafür ist, dass die Wandelröschendickichte Dschungelvögeln und kleinen Säugetieren, die Zecken abwerfen, besonders gute Deckung bieten. Zecken wiederum tragen häufig Viren an andere Tiere weiter, die mehr Berührungen mit Menschen haben – das Dickicht erleichtert es ihnen. Wenn nichts dagegen getan werde, würde Lantana zu einer Invasion werden. Die Beschreibung von damals gleicht einer Vorhersage für unsere Gegenwart.
Anita Varghese leitet die Abteilung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt bei der Keystone Foundation. Die gemeinnützige Organisation kartiert invasive Pflanzenarten in den Gebieten rund um die Nilgiri-Berge und will sie so zurückdrängen. Varghese beobachtete, dass Lantana vor zwei Jahrzehnten in Kotagiri, einem Ort auf über 1.800 Metern Höhe, noch nicht häufig zu sehen war: ›Nun sind sogar einheimische Heckenpflanzen durch Lantana ersetzt worden.‹ In Südamerika, wo die Lantana heimisch ist, halten natürliche Feinde, wie bestimmte Pflanzenfresser, Insekten und Schädlinge das Unkraut in Schach, erklärt Raman Sukumar, Professor für Ökologie am Indian Institute of Science. In Indien fehlen natürliche Feinde, hier mühen sich die Menschen ab, das Unkraut aufzuhalten.
So auch einige indigene Gruppen. Die Solinga-Gemeinschaft in Karnataka hat schon immer kontrollierte Flächenbrände eingesetzt. Etwa um ihre Sicht in den Wäldern zu verbessern, leichter Nahrung zu sammeln oder den Boden für die Nahrungsmittelproduktion vorzubereiten. ›Taragu benki‹ heißt ihre Technik. ›Das waren Streufeuer, also bodennahe oder oberflächliche Brände, die bis zu drei Meter hoch werden‹, sagt C. Madegowda, ein Forscher und Aktivist für die Rechte der Stämme. Die Lücken, die die Brände hinterließen, waren aber nie so groß wie die der kommerziellen Abholzung unter der britischen Herrschaft ab 1806. Diese öffnete das Kronendach des Waldes und störte seine Mikroökologie. ›Anfänglich sah man Lantana nur entlang der Straßen, wo es Lichtungen gab, doch als die Wälder gerodet wurden, bekam Lantana die Gelegenheit, die freien Flächen zu besetzen‹, so Sukumar. Der großflächige Holzeinschlag wurde fortgesetzt, bis er durch den Forest (Conservation) Act von 1980 verboten wurde. Doch Lantana hatte sich bereits verbreitet.
Jede Lantana-Pflanze kann rund 12.000 Samen produzieren, die bis zu elf Jahre im Boden verweilen können, bevor sie keimen. Aus nur kleinen übriggebliebenen Wurzeln im Boden oder grünen Stängeln, die den Boden nur berühren, können neue Pflanzen wachsen. Leuchtende Blüten und unwiderstehlicher Duft locken Bienen und Schmetterlinge an, Vögel und sogar Faultiere genießen die Früchte und verbreiten die Samen. Lantana gedeiht auch aufgrund seiner allelopathischen Eigenschaften so gut, das bedeutet, es setzt Chemikalien frei, die heimische Arten vom Wachsen abhalten. ›Unter dem Blätterdach, das Lantana bildet, wächst eigentlich nichts anderes‹, sagt Geetha Ramaswami, eine Ökologin, die sich in ihrer Doktorarbeit mit dem Unkraut befasst hat. Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre macht der Pflanze nichts aus. Damit ist sie sogar gegen die klimaschädlichen CO2-Emissionen, die aktuell global immer noch steigen, gewappnet.
1972 beschloss das indische Parlament den Wild Life Protection Act. Die Gesetze sollten kolonialen Einfluss eindämmen. Außerdem wurden Rodungen im Wald verboten – und damit auch taragu benki, die Technik der indigenen Völker. Es klingt paradox, doch das Verbot für die kleinen, aber kontrollierten Feuer förderte große Waldbrände. Denn Lantana ist nicht nur unüberschaubares Dickicht, sondern auch guter Brennstoff. Die großen Waldbrände treten wegen der Auswirkungen der Klimakrise immer häufiger auf. Ökologen haben bestätigt, dass die traditionellen kontrollierten Flächenbrände Lantana-Samen im Boden abtöten und einen grasbewachsenen Waldboden wiederherstellen können. Ohne die indigene Rodungstechnik liefert Lantana jeden Sommer den Brennstoff für große, zerstörerische Baumkronenbrände. In Mudumalai, wo er das Unkraut seit Jahrzehnten erforscht, stellte Sukumar in den Jahren 2004 und 2005 eine starke Zunahme des Lantanabestands fest. ›Nachforschungen ergaben, dass es in Südindien zwischen 2000 und 2004 große Dürren gab. Ab dem Jahr 2000 gingen die Niederschläge zurück, worauf 2002 ausgedehnte Brände folgten.‹ In der Vergangenheit regnete es oft nach Waldbränden, so konnte Gras nachwachsen. Doch das sich erhitzende Klima, die häufigeren Extremwetterereignisse wie Dürren – das mag die Lantana: ›Diese Kombination aus Dürre, Feuer und Trockenheit ist für Lantana extrem günstig‹, so Sukumar.
Die Ausbreitung gefährdet Menschen wie auch Tiere. Bei Vieh, das in Lantanagebieten grast, sind etwa Vergiftungssymptome beobachtet worden. Das Dickicht bietet perfekte Verstecke für Tiere, sogar für Elefanten. Darum treffen Menschen häufiger zufällig auf Wildtiere. ›Oft sind Tiere hinter dem Lantanagestrüpp zu finden, das hoch wie ein Zaun wächst, und wir bemerken es erst, wenn wir sehr nahe herankommen‹, schildert Muniraju, einer der Förster in Bandipur. ›Die Waldarbeit hat sich für viele von uns als gefährlich erwiesen‹, erzählt er. Die Ökologin Varghese macht Lantana mitverantwortlich für einen Todesfall in Kotagiri: Ein Bauer, der auf einem Feld arbeitete, hatte einen Gaur, ein asiatisches Rind, auf der anderen Seite des Lantana-Dickichts erst nicht gesehen und es dann aufgeschreckt. Daraufhin durchbohrte das Rind den Bauern mit seinen Hörnern tödlich.
Im Jahr 1957 schon erkrankten über fünfhundert Menschen, die in der Nähe des Kyasanur-Waldes in Karnataka lebten, kurz nachdem Dutzende von Affen im Wald gestorben waren. Als ›Affenfieber‹ wurde die Krankheit bekannt, Zecken sind die Überträger. Lantanadickichte begünstigten die Übertragung, beobachtete Jorge Boshell Manrique, ein kolumbianischer Epidemiologe in den frühen 1960er-Jahren. Sukumar und Tarsh Thekaekara – ein Doktorand am National Centre for Biological Sciences, der sich seit Jahren mit Lantana befasst – denken, dass die traditionellen Flächenbrände die Zeckenpopulation zuvor unter Kontrolle gehalten hat.
Während Lantana sich immer weiter ausbreitet und Menschen eingreifen, um den Wildwuchs einzudämmen, wuchsen stetig auch Forderungen danach, Naturräume unberührt zu lassen und zu schützen. 1991 wurde eine 800 Quadratkilometer große Schutzzone rund um den Jim-Corbett-Nationalpark ausgewiesen und ganze Dörfer wurden umgesiedelt. Es ist ein Fall, der zeigt, wie schwer Lantana zu bändigen ist und welche Folgen das hat. Dorfbewohner und -bewohnerinnen pflanzten zuvor die hochwachsende Lantana als Hecken, um ihre Ernten vor wilden Tieren zu schützen. Forstbehörden erhofften sich nach der Umsiedlung, dass der Wald sich regenerieren würde. Doch stattdessen breitete sich Lantana, nun unbewirtschaftet von der Dorfbevölkerung, über die Schutzzone aus. Forscherinnen und Forscher der Universität Delhi untersuchten einen halben Hektar des Parks und fanden Lantana fast überall, außer in dichten Wäldern. Am meisten wuchert es an Waldrändern und auf verlassenem Ackerland. ›Abgesehen von einigen wenigen Bäumen‹, schrieben sie, ›wurden in den dicht befallenen Gebieten keine anderen einheimischen Arten gefunden.‹ Die Forscher führten daraufhin 2005 ein Pilotprojekt auf zwei Hektar in den verlassenen Dörfern Jharna und Laldhang durch, um eine zweigleisige Bewirtschaftungsstrategie zu testen. Das Ziel: Lantana auszurotten.
Wie auch die Förster Madaba und Muniraju in ihrer jahrelangen Arbeit bemerkten, wusste der Forscher CR Babu: Die übliche Unkrautbekämpfung ist nicht erfolgreich. Das Abschneiden und Hacken regt die Bildung von Triebknospen an, die unterhalb der Schnittstelle wachsen. Dadurch entstehen mehr Zweige, die zu einem Dickicht werden. Das Verbrennen direkt danach regt ebenso das unterirdische Pflanzengewebe zur Bildung weiterer Triebknospen an. Große Maschinen zerstören andere Pflanzen in der Nähe und schleudern Tausende von Lantana-Samen durch die Luft und setzen sie dem Licht aus, was ihre Keimung fördert. ›All diese Methoden tragen nachweislich dazu bei, dass das Unkraut unkontrolliert wächst‹, so Babu.
Daher entwickelte er eine neue Methode, bei der man direkt den Wurzelstock abschneidet – Cut Root-Stock Method (CRS-Methode). Unter dem Namen Babu-Cut-Methode wurde sie bekannt. Dabei wird die Pflanze an einer bestimmten Stelle abgeschnitten: unterhalb ihres reproduktiven Teils. Die abgehackten Büschel stellt man dann auf den Kopf, um eine Regeneration zu verhindern. Zehn Tage trocknen sie, bevor man sie verbrennt. Die Methode beschädigt den Boden und andere Pflanzen nur minimal und geht schneller voran. Wie Babu und seine Kollegen während des Pilotprojekts feststellten, konnte ein einziger Arbeiter im Durchschnitt 20 bis 50 Büschel pro Tag entfernen. Im Vergleich zur üblichen Praxis senkt die Methode die Kosten auf 2.000 bis 4.000 Rupien pro Hektar. Ein ähnliches Projekt wurde in Bandipur durchgeführt. Diese Babu-Cut-Methode deckt in Bandipur aber weniger als ein Prozent der von Lantana befallenen Fläche ab. Mit dem derzeitigen Budget würde es länger als ein Jahrhundert brauchen, um den Nationalpark zu befreien.
Rajiv Bhartari, der Direktor von Corbett während des Pilotprojekts und jetzt Vorsitzender des Uttarakhand Biodiversity Board, beobachtete, wie vom Unkraut befreite Grünflächen den Nationalpark veränderten: ›Im Jahr 2006 gab es im Park nur 108 Tiger. Heute haben wir 231 ansässige Tiger und 35 Gasttiger, die den Park regelmäßig nutzen. Die Entfernung der Lantana und die Wiederherstellung von Grasflächen mit Hülsenfrucht-Pflanzen hat das Verhalten und die Weidemuster der Tiere verändert. Wir können jetzt auch viel mehr Chital-Hirsche mit ihren Kitzen auf dem Grasland beobachten‹, berichtet Rajiv Bhartari.
Während das lebende Unkraut in Indien Schaden anrichtet, sind Ideen gewachsen, die großen Massen an toten Pflanzen in Kunst oder Rohstoffe umzuwandeln. Verschiedene Projekte sind von Süden bis Norden Indiens verstreut. The Real Elephant Collective (TREC) in Gudalur im Süden hat gemeinsam mit indigenen Gruppen 150 Elefanten mit Lantana-Stängeln nachgebaut. Einige Figuren wurden in London versteigert, um Geld für Naturschutz zu sammeln und Bewusstsein für die bedrohten Lebensräume der Elefanten zu schaffen. Der Ashoka Trust for Research in Ecology and the Environment (ATREE) arbeitet mit den Soliga-Stämmen im Süden Karnatakas zusammen, um Möbel aus Lantana herzustellen. ›Die Idee ist, aus Abfall Wohlstand zu schaffen. Etwa 300 Soliga-Stammesangehörige wurden im Lantana-Handwerk ausgebildet, von denen 120 bei uns beschäftigt sind. Bemerkenswert an diesem Projekt ist, dass die Soliga, die vor sieben bis acht Jahren noch 7.000 bis 8.000 Rupien im Jahr verdienten, jetzt rund 35.000 Rupien im Jahr verdienen‹, sagt Siddappa Setty, ein Ethnobotaniker, der das Projekt leitet. Im Norden, im Corbett-Nationalpark, arbeiten NGOs mit Frauen, die am Rande des Waldes leben, und bauen Möbel aus den Lantanastängeln. In Himalaya-Regionen werden aus den Pflanzenstielen Zahnbürsten und Körbe, mit den Blättern wird Holz poliert und der Boden von Getreidebehältern ausgekleidet. Ein Paradox: Während die wachsende Pflanze andere Arten verdrängt, fördern die stickstoffreichen Blätter – zu feinem Mulch verarbeitet – die Qualität der Ackerböden.
›Dies kann kein Kampf gegen eine einzige Art sein‹, sagt die Wissenschaftlerin Varghese. Anstatt zu versuchen, eine einzelne Art zu bekämpfen, wäre es effektiver, wenn wir eine Landschaft auswählen und einen Weg finden, sie von allen invasiven Pflanzen zu befreien. ›Wir sollten nicht glauben, dass wir das größere Problem der invasiven Pflanzen gelöst haben, wenn wir Lantana loswerden‹, fügt sie hinzu. •